Die Jahrhunderte überspannend
KÜNSTLERHAUS / PALOMA VARGA WEISZ, ERIKA HOCK
14/07/15 Wer den großen Raum des Künstlerhauses betritt, wird finden, dass es darin ziemlich dunkel ist. Es sollte aber niemand dem Bedürfnis nachgeben, es heller zu machen, also etwa einen Lichtschalter zu betätigen.
Von Werner Thuswaldner
Die Dunkelheit gehört ganz wesentlich zum geheimnistuerischen Konzept der Installation, die mit dem Titel „Glory Hole“ von der Künstlerin Paloma Varga Weisz dort aufgebaut worden ist.
Paloma Varga Weisz ist eine deutsche Künstlerin, die zunächst eine Ausbildung als Holzbildhauerin gemacht hat, bevor sie in den neunziger Jahren in Düsseldorf u.a. bei Tony Cragg studiert hat. Ihre Sicht auf den Menschen ist voller Skepsis. Sie sieht ihn als deformiert, der Einsamkeit ausgesetzt, auch als aufgebahrten Leichnam, als Objekt eines Totenkults oder verstrickt in archaische Rituale.
Haben sich die Augen im Hauptraum des Künstlerhauses an die Dunkelheit gewöhnt, nimmt man eine aus rohen Brettern gezimmerte Hütte wahr. Es ist übrigens eine echte Hütte, sie soll aus den oberösterreichischen Wäldern stammen. Im Inneren ist es hell, aber da ist kein Fenster, durch das man ohne weiteres hineinschauen könnte. Auf einer Seite besteht die Begrenzung im oberen Teil immerhin aus Latten, zwischen denen das Licht herausdringt, so dass sich die Latten als Schatten scharf abzeichnen. Der Wille des Besuchers herauszufinden, was sich drinnen verbirgt, ist damit keineswegs befriedigt. Erst nach forschendem Umkreisen der Hütte zeigen sich da und dort schmale Schlitze zwischen den Brettern. Durch sie und durch kleine Astlöcher ist es möglich hineinzulinsen. Mit Mühe ergibt sich für den Voyeur ein Bild von dem, was sich da abspielt.
In der Hütte sind zwei Räume. In dem einen sitzt eine überlebensgroße weibliche, in dem anderen eine männliche Marionette. Zwischen beiden besteht, wie aus ihren Bewegungen hervorgeht, eine erotische Beziehung: Er senkt und hebt seinen Kopf mit einer überlangen Nase, während sie im selben Rhythmus die Beine öffnet und schließt. Jagdtrophäen, die aus dem Haus der Natur stammen, schmücken die Wände, Affenskulpturen sitzen auf dem Boden.
Paloma Varga Weisz beschwört einerseits ideenreich eine im Dunkel der Vergangenheit gefangene mystische Welt, andrerseits bewegt sie sich mit ihren künstlerischen Mitteln auf der Höhe der Zeit.
Einen schönen Kontrast bildet dazu die helle, kleine Schau von Erika Hock im Kabinett, wenn auch sie mit ihren Webarbeiten eine Brücke schlägt zwischen einer fernen Vergangenheit und der Moderne. Die aus Kirgisien stammende Künstlerin setzt für die Webarbeiten mit wunderbar sich anfühlenden Textur eine alte Technik ihrer Heimat ein. Thematisch beziehen sich diese Arbeiten in minimalistisch ausgeführter Formensprache auf die Architektur eines Hauses, das Adolf Loos einst für die Tänzerin Josephine Baker bauen wollte. Die Shyrdaks, wie Webereien dieser Art in Kirgistan genannt werden, spielen sich in strengem Schwarz-Weiß mit den Merkmalen des menschlichen Gesichts und prägen ausdrucksstarke Muster. Die teils von der Decke hängenden Teppiche erinnern nicht zuletzt an Behausungen, deren Raumbegrenzungen nicht stabile Mauern waren und sind. Den Reiz der Objekte macht die scheinbare formale Klarheit auf der einen Seite und der historischen Fertigung auf der anderen Seite aus.