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Das Kunst-Ding unter dem Allerwertesten

GALERIE IM TRAKLHAUS / SESSEL, STUHL, HOCKER

15/07/14 Der chinesische Widerstands-Künstler Ai Weiwei ist Spezialist im Sitzen. Er ist ob seiner politischen Einstellung und seines Freiheitswillens ausreichend eingesessen. Das ist natürlich nicht der Grund, weswegen auch er in der Schau „Hier steht ein Sessel – Sessel, Stuhl, Hocker in der Kunst“ vertreten ist.

Von Reinhard Kriechbaum

Es geht in der Galerie im Traklhaus um den Stuhl als Kunstobjekt. Es ist das vierte Mal, dass Dietgart Grimmer ein so ehrgeiziges wie anregendes Projekt kuratiert. 2006 hat sie mit dem Schuh ein reizvoll-querständiges Objekt ausgemacht, in weiterer Folge mit den Themen „Essen“ und „Tiere“ Künstlerinnen und Künstler aus der Reserve gelockt. Nun also Sessel, Stuhl und Hocker.

„Viele Ausstellungen haben den Stuhl als Design-Objekt thematisiert. Das ist bei so einem Gebrauchsgegenstand naheliegend“, erklärt die Leiterin der Galerie im Traklhaus. Bei der Auswahl der Arbeiten für diese Ausstellung geht es ausschließlich um Kunstwerke, die Sitzgelegenheiten thematisieren, in Grafiken, Bildern, Fotografien, Videos und Objekten.

Über Ai Weiwei und sein Verhältnis zum Sitzen macht man besser keine blöden Witze. Auf der anderen Seite der imponierend langen alphabetischen Künstlerliste steht Erwin Wurm. Was er aus Laden und Kommodentelen zusammengezimmert hat, darauf könnte man schon sitzen – und lachen darf man natürlich auch über das Ding, das irgendwie aussieht, als ob ein optimistischer Möbelmarkt-Besucher zu ungedulktig war für die Bauanleitung.

Muss ein Stuhl bloß Ding sein oder führt er ein Eigenleben? Von Julius Deutschbauers Stuhlobjekt „Bibliothek ungelesener Bücher“, der Stuhl mache seinem Be-Sitzer einen stummen Vorwurf. Der „Acht-Rad-Thron“ von Tone Fink wäre vielleicht geeignet, seinen König im Fall einer Palastrevolution in Sicherheit zu rollen. Das Ding ist übrigens aus schwerer Bronze und nicht aus luftigem Papier, das Tone Fink sonst gern verwendet. Markus Hofers „Chairs 1“ schweinen rechte Balancekünstler zu sein, der eine nimmt den anderen hopps. Dafür hat „Der erste sitzende Stuhl (nach langem Stehen sich zur Ruhe setzend)“ seine Hinterfüße weggeklappt und lehnt recht lässig da. Das Objekt aus dem Jahr 1970 ist übrigens kein Einzelstück, sondern in einer Auflage von 250 Exemplaren hergestellt worden.

Die Designer müssen sich möglicherweise an der Nase nehmen, denn manche Künstler sind ziemlich erfindungsreich – und man könnte vielleicht sogar bequemer auf ihren Dingen Platz nehmen als auf manchem exquisiten Designer-Stück. Aber im besten Fall verschwimmen ja die Grenzen zwischen den beiden „Berufen“. Der „Schihocker“ von David Moises, ein Klapp-Ding aus alten Skiern, könnte behilflichn sein, wenn das Anstehen bei der Gondelbahn etwas länger dauern sollte. Aber die Tourismusverbände arbeiten bekanntlich dran, dass die Zeit dort immer kürzer wird.

Die „Erinnerung an meine Zeit als Kellner“ scheint Hans Peter Feldmann geprägt zu haben. Er hat einen schlichten Stuhl verkehrt auf einen Sockel gestellt. Wie man es eben in vielen Lokalen abends macht, damit man ungestört aufwischen kann.

Maria Lassnig hat in den 70er Jahren den Sessel in ihrem Zeichentrickfilm verarbeitet. „Zu diesem Video 'Chair' können wir auch drei Entwurfszeichnungen zeigen“ freut sich Dietgart Grimmer. Der „Fett-Stuhl“ von Joseph Beuys existiert in mehreren Varianten und Vervielfältigungsmethoden. „Ohne ein Bild dieses Stuhles aus den 60er Jahren wäre die Ausstellung unvollständig“, so Dietgart Grimmer. Insgesamt umspannt die Schau fast dreihundert Jahre. Irene Andessner hat ihre leuchtenden Glas-Porträtkästen diesmal zu einer Stuhlform gruppiert.

Ob man auf dem „Brennsessel“ von Kai Kuss kommod sitzt? Das Fauteuil besteht aus Expoxidharz, Müll und Grünzeug, vornehmlich Brennnesseln. Mit nackten gesäß sollte man's also besser nicht versuchen. Gruselig der Totenkopf, den Daniel Spoerri auf ein Gestell gestellt hat, das an den Rolator für gehbehinderte Menschen erinnert. „Carellino / Kinderwägelchen“ heißt das gute Stück.

„Sessel, Stuhl, Hocker in der Kunst“. Bis 13. September in der Galerie im Taklhaus – www.traklhaus.at
Bilder: Galerie im Traklhaus

 

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