Muss man Leintücher unbedingt bügeln?
KÜNSTLERHAUS / EVERY WALL IS A DOOR
05/12/12 Früher hätte man zu Künstlern gesagt: Hier ist ein Stück weiße Wand, mach was draus. Und wenn sie erfindungsreich genug gewesen sind, haben sie die Gunst der Stunde genützt. So geschehen auch jetzt für die Jahresausstellung des Kunstvereins.
Von Reinhard Kriechbaum
Ganz so einfach geht es heutzutage freilich nicht ab. Da muss eine Kuratorin her und ein pseudo-gscheites Zitat (Der Amerikaner Sol LeWitt, eine der Symbolfiguren der Konzeptkunst, hat „Every Wall is a Door“ geliefert). In Kuratoren-Kotzsprech: Ausbrechen aus selbstauferlegten Systemen. Auf Deutsch: Wer immer nur Blumentöpfe malt, sollte es auch mal mit Pflanzen und in schöpferischen Sternstunden sogar mit den Blattläusen drauf versuchen. Kurzum: Kreativität war und ist gefragt.
Im Künstlerhaus gibt’s eine feine, kreative Ausstellung. Vierzehn von 81 Bewerberinnen und Berwerbern sind zum Zug gekommen. Muss man Leintücher unbedingt bügeln? Bernhard Hosa hat die weißen Laken fein säuberlich zusammengelegt und in Plexiglas-Kästchen gelegt. Aber oh Schreck: Falten von der originalen, fabriksfrischen Faltung sind noch sichtbar, wie eigenständige Stoff-„Porträts“. So heißt die Serie auch.
Roswitha Weingrill hat eine Schachtel alter Filzstifte entdeckt und so lange auf Papier Strich an Strich gesetzt, bis sie endgültig ausgeschrieben waren. Die Stift-Leichen liegen in einem Karton vor dem aufgehängten Blatt. Multimedial kommt Gunda Grubers „Bruchstück Nr. 4“ daher: An der leicht wolkig grau-bemalten Wand lehnen eine weiße Leinwand und ein schwarzes Holzgerüst – und über all das wandern projizierte Architektur-Zitate. Eine animierte Gedanken-Baustelle? Jedenfalls eine die Fantasie anregende Installation.
„show“ nennt Harald Herkner ein Ding, das sonst tunlichst unsichtbar bleibt. Wie ein Wurm hat sich ein Stück Installationsrohr aus der Wand gebohrt, es windet sich ein paarmal und verschwindet wieder dort, wo es hingehört. Und grell-farbig ist es auch noch. Darf sich ein Elektrik-Utensil eigentlich so aufdringlich sichtbar machen?
Franz Bergmüller sucht nach dem Körper in der Fotografie, indem er Details in Streifen oder Bändern herausschneidet und sie in den Raum stehen lässt oder beiseite klappt. Eine Silhouette liegt überhaupt allein da, eine bodennahe Skulptur. 3D oder 2D – oder eine eigenartige Kreuzung aus beidem? Stefan Klampner hat eine Keramik-Eule fotografiert, die er in einem Töpferwarengeschäft entdeckt hat. Das Ding habe in ihm „große Zweifel am System Kunst“ erweckt. Wer möchte es ihm verdenken?
Alles in allem eine anregende Schau, zu der auch Klara Kohler, Karin Fisslthaler, Beate Terfloth, Lilo Nein, Siegfried Zaworka und Johannes Gierlinger Dinge in unterschiedlichsten Medien beigetragen haben. Die Arbeit von Peter Fritzenwallner kommt erst anlässlich der Vernissage heute (5.12.) abends in eine Raumecke. Er hat aus Trakl-Gedichten Buchstaben und Wortfetzen extrahiert und auf Transparente und Schilder geschrieben. Das wird in einer Kunst-Prozession durch die Stadt getragen und dann im Künstlerhaus drapiert.
Übrigens: Die Glastür vom Ausstellungssaal Richtung Toiletten und Café ist mit einer Gipskartonplatte zugemacht. „Wall“ also, wohin man schaut. Die weiße Säule in der Raummitte ist auch Kunst, eine architektonische Intervention von Christopher Steinweber. Ein Handlauf ist rundum montiert. Man könnte sich dran anhalten, wenn’s einem ob der Kreativität rundum schwindlig wird. Aber so arg ist es dann auch wieder nicht.