Wichtig ist, dass es beginnt
HINTERGRUND / ASTRID RIEDER / TRANS-ART
13/11/23 Wem ist sie nicht aufgefallen, die Dame im Konzert mit Zeichenblock und Stift. Vertieft in den Atem der Musik bedecken ihre Linien Papier mit Farbe und Form... Aus diesen Anfängen ist längst eine eigene Welt geworden: Seit dreißig Jahren lebt und vermittelt Astrid Rieder ihre trans-Art. Von 16. bis 19. November lädt sie ins Künstlerhaus.
Von Heidemarie Klabacher
„Im Dialog von neuer Musik und abstrakter Zeichnung sollen die traditionsbedingten, verkrusteten Grenzen der jeweiligen Kunstform nicht nur geöffnet, sondern durch und mithilfe der jeweils anderen Kunstform überwunden werden“, sagt Astrid Rieder. „Composition graphique musicale“ nennt sie das „interaktive Moment, das im Zusammenspiel von neuer Musik und abstrakter Zeichnung entstehen könne. Bei ihren trans-Art Performances verbinde sie bildende Kunst und neue Musik. „Dazu lade ich eine Musikerin oder einen Musiker ein, mit mir in einen interdisziplinären Dialog zu treten.“
Dieser entstehe spontan: „Ohne Proben, ohne thematische Vorgaben wird moduliert, agiert und reagiert.“ Ausführende und Publikum begeben gemeinsam „in einen künstlerischen Schöpfungsrozess“, der mit jeder trans-Art Performance ein anderer sei.
Astrid Rieder beschreibt es auf ihrer Website ganz genau: „Bei einer trans-Art Performance schafft die Künstlerin mit einem Musiker oder einer Musikerin in Echtzeit einen Kunstdialog. Die Musikerin oder der Musiker bringt ein Instrument oder mehrere Instrumente mit. Für die bildnerische Aktion wird eine papierene Leinwand an einer Wand befestigt. Auf einem Farbentisch stehen grafische und malerische Materialien bereit. Mittels Kontaktmikrophonen werden die durch den Zeichenprozess entstehenden Sounds, zurück in den Raum gespielt und könnten so Brücken zu der Welt der Musik bauen.“ Schon 1973 habe Marina Abramovic in ihrer Arbeit Rhythm 10 ihre Performance mit einem Audiorekorder aufgenommen, um die Aufnahme anschließend laut abzuspielen und so die Performance zu erweitern, erinnert Astrid Rieder.
„Eine trans-Art Performance dauert meist etwa vierzig Minuten. Was sich in dieser Zeitspanne entwickelt, bleibt offen. Weder die Musik noch die Zeichnung haben Priorität. Es ist nicht entschieden, wer die Performance eröffnet – wichtig ist, dass sie beginnt.“
Am Ende bleiben jeweils ein akustischer und ein grafischer Part bestehen. Der akustische Part wird als Teil der Radiosendung Atelier für neue Musik/trans-Art zweimal im Monat via Radiofabrik ausgestrahlt. Seit 2010 gestaltet Astried Rieder diesen Podcast: „Der Klang der Performance ist also nicht ephemer, sondern auch lange nach der Performance hörbar.“ Der grafische Part bleibt als Zeichnung erhalten. Um die gesamte Performance festzuhalten, wird ein Dokumentarvideo erstellt.
In ihren Workshops will Astrid Rieder „diesen zwischenmenschlich geführten Dialog Interessierten ermöglichen“: Seit inzwischen dreißg Jahren engagniert sich Astrid Rieder nun bereits für den Brückenschlag zwischen Farbe und Klang, Musik und Kunst. Aus diesem Anlass zeigt Astrid Rieder vom 16. bis 19. November im Künstlerhaus un Raheman einer Ausstellung einen Querschnitt ihrer bisherigen Arbeit – von Skizzenblöcken aus den Anfängen des Zeichnens zu neuer Musik in Konzertsälen bis zu Großzeichnungen, die im Rahmen der monatlich stattfindenden Performancereihe do trans-Art entstanden sind. Ein Eckstein ihrer Arbeit: Seit Juli 2016 veranstaltet Astrid Rieder die do trans-Art jeweils am 2. Donnerstag des Monats in ihrem Salzburger Atelier in der Bundestraße 37. In einer Videoinstallation werden die ausgewählten Performances zudem laufend und in voller Länge zu sehen sein.
Ebenfalls am Donnerstag (16.11.) um 18 Uhr lädt die Performerin aber auch zum trans-Art Workshop mit der Flötistin Celina Hubmann, dem Komponisten und Gitarristen Agustín Castilla-Ávila, dem Saxophonisten Paul Eiser und der Bratschistin Susanne Hehenberger. Im Rahmen des Festivals zum dreißigjährigen Bestehen von trans-Art, am Samstag (18.11.), präsentiert Astrid Rieder den Band Summit of trans-Art 2022: Mit regelmäßig stattfindenden wissenschaftlichen Tagungen will Astrid Rieder mit Expertinnen und Experten gesellschaftlich relevante Themen diskutieren.
Ziel der Tagung 2022 war eine „Beschäftigung mit den Bedrohungen der heutigen Zeit“: „Kriege, Pandemien, Ressourcenmangel und Klimaveränderungen sind nur einige Faktoren, die uns Verantwortung lehren müssen. Auch die Kunst soll in diesem Zusammenhang Moral zeigen“, ist Astrid Rieder überzeugt. Nach der Präsentation folgt eine Performance mit dem Cellisten Sebastian Jolles.
Wie alles begann? 1993 nahm Astrid Rieder an einem Malseminar in St. Virgil mit Wolfgang Seierl teil und zeichnete zu Klängen von Morton Feldman, György Ligeti und John Cage. Von 1996 bis 2006 organisierte Astrid Rieder Privatkonzerte (Höhepunkt 2006 74 Personen im eigenen Wohnzimmer) mit Uraufführungen, Lesungen und Videoproduktionen, heißt es auf Rieders Website. Sie besuchte an der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst auf der Festung Salzburg Kurse bei Xenia Hausner, Hella Berent und Kimberly Bradley. Von 2000 bis 2006 nahm sie an den Malseminaren von Johannes Ziegler in Salzburg teil. Mit dem Umzug ins Atelier im Techno-Z in Itzling 2007 wurden aus den Privatkonzerte Atelierkonzerte. Der ursprüngliche Begriff Composition Graphique entstand bei der Schmiede 2016 auf der Perner Insel im Rahmen der Werkstatt des französischen Medienkünstlers Maurin Donneaud, auf Inspiration durch Beatrix Zobl im Künstlerhausatelier spricht Astrid Rieder nun Composition Graphique Musicale.
30 Jahre Kunst – Astrid Rieder – die Ausstellung im Künstlerhaus ist von Donnerstag (16.11.) bis Sonntag (19.11.) täglich von 12 Uhr bis 19 Uhr geöffnet – alle weiteren Termine und Veranstaltungen – www.astrid-rieder.com
Bilder: www.musicaustria.at / Trans-Art (2); www.astrid-rieder.com (2)