Luftschiffe über einer Luftschloss-Stadt
ARCHITEKTURHAUS / DIE BERGSTADT
25/11/22 Stellen wir uns mal Salzburg nicht als putzige Barockstadt eingezwängt zwischen Mönchs- und Kapuzinerberg vor, sondern quasi drübergestülpt über den Gaisberg. Die Tallandschaft täte dann, im optimalen Fall weitgehend unverbaut, einer Bergstadt zu Füßen liegen. Höchstens Bauernhäuser würden in der Natur herumstehen.
Von Reinhard Kriechbaum
Der 1930 in Salzburg geborene Gunther Wawrik hat das sogenannte „Weichbild“ seiner Heimatstadt noch einigermaßen unzersiedelt erlebt, und er träumt seither davon, wie es wohl wäre, wenn man eine Stadt eben nicht in Tallage ins Kraut schießen ließe, sondern urbanem Ballungsraum Bergeshöhen zuordnete. Eine vorsorglich geplante Plan-Stadt also. Als Utopie bezeichnet der Architekt und langjährige Stadtplanungs-Professor in München seine Überlegungen, die er in Buchform publiziert hat und die nun Thema einer Ausstellung der Initiative Architektur im Architekturhaus an der Sinhubstraße sind.
Ein bisserl wundert man sich schon, denn gar so weit muss man nicht reisen, um das, was Gunther Wawrik da als utopische Ideen verkauft, ganz real umgesetzt zu gehen. Viele Dörfer in Istrien und auch solche im Friaul schauen aus, als ob sie Wawriks Zeichenblock oder seinem Modellbaukasten entsprungen wären. An größeren Städten in vergleichbarer Lage fiele uns spontan das spanische Toledo oder Siena in der Toscana ein. Vielleicht müsste man fürs Modell Bergstadt das Rad gar nicht neu erfinden? Auf die Idee, Siedlungen auf Hügel zu bauen und die fruchtbaren Ebenen für die Landwirtschaft zu nutzen, ist man eigentlich überall auf der Welt gekommen, wo agrarischer Raum rar ist.
Wawrik setzt, unserer Zeit angepasst, in die Stadtmitte nicht eine Kirche, sondern ein Kulturhaus, das anmutet wie eine am höchsten Hügelpunkt gelandete fliegende Untertasse mit Flachdach. Dieses stellt er sich begrünt vor, als Spiel- und Event-Wiese für alle. „Auch Luftschiffe landen manches Mal“, schreibt der poesiebegabte alte Herr darunter. Apart die Vorstellung solchen Luftschiff-Verkehrs über Luftschloss-Städten.
Was wir gerne lesen: „Das Kulturhaus hat den besten Platz in der Stadt.“, Und dann ein bisserl Träumerei (nicht die einzige auf den Schautafeln): „Wer eine der vielen Türen zum Kulturhaus öffnet, gelangt in ein verwunschenes Schloss mit vielen Gängen und Türen...“ Na ja, vielleicht hat der 92jährige Gunther Wawrik schon geraume Zeit keine Kunsthalle mehr von innen gesehen.
Wawrik ist in seiner Geburtsstadt wenig rezipiert worden, darum ist es verdienstvoll, dass die Initiative Architektur ihm eine Schau widmet. Seine Gedanken zur Bergstadt nennt er dezidiert eine Fiktion (so der Untertitel des Buchs). Bergauf sich schlängelnde Straßen, Stufengassen, eine „Kaskadfenhauptstraße“ – wäre das eigentlich auch etwas für Fußmarode? Einer der wenigen wirklich konkreten Hinweise zeigt ein kleines Gefährt, ein Mini-Raupenfahrzeug. Ein für Stufen geeigneter Scooter also. Eh nett, was man sich als professoraler Städteplaner so ausdenken kann.