Herr Rädler erklärt uns die gute Welt
GALERIE ALTNÖDER / JOSEF KARL RÄDLER
06/08/10 Josef Karl Rädler - nie gehört? Wie auch. Da hat die Galerie Altnöder heuer einen ganz eigenwilligen Vertreter österreichischer Art Brut in der Sommerausstellung. Sogar ein einschlägiges Londoner Museum sei am Ankauf eines Konvoluts interessiert, heißt es.
Von Reinhard Kriechbaum
Eigentlich ist's gar nicht "Art brut", erklärt Ferdinand Altnöder. Darunter verstehe man Arbeiten von Psychiatrie-Patienten, die vorher nichts mit Malen oder Zeichnen zu tun hatten. Josef Karl Rädler (1844-1917) war Porzellanmaler. Nachdem er die Familienfirma beinah an die Wand gefahren hatte, kam er in Heimaufenthalt. "Im Irrenhaus genieße ich das bewusste Glück", schrieb er auf eines seiner Aquarelle. Er scheint also nicht unglücklich gewesen zu sein mit seiner Lebenssituation.
Auf den Bildern, in denen Text einen großen Stellenwert einnimmt, sehen wir Bauern, die auf Bänken sitzen und zufrieden Pfeife rauchen. Szenen mit allerlei Federvieh, Gärten mit blühenden Obstbäume - nicht nur wegen der umrahmenden Zierleisten denkt man gelegentlich an Malerei, wie sie auf Bauernmöbeln auftaucht. Was dann noch frei blieb, beschrieb Josef Karl Rädler mit viel, viel Text. Da finden sich Überlegungen zum Pazifismus, zu gesunder Lebensweise und über die Welt als solche und überhaupt.
Manche Sentenz stünde einem heutigen Grünen gut an, aber am Ende des 19. Jahrhundert ist das noch nicht so gut rübergekommen. Drum ist Rädler, der sich gerne als "Hofmaler von Österreich, Italien und Siam" und als "lachender Philosoph" bezeichnete, aus der geschlossenen Anstalt nicht mehr rausgekommen. Obwohl er laut Befund von 1893 "keinerlei psychische Abnormitäten" aufgewiesen haben soll. Er nervte seine Zeitgenossen wohl nur mit seinen Visionen.
Dass die Blätter (Aquarellfarben auf Papier) überhaupt noch existieren, ist Zufall. Fünfzig Jahre nach seinem Tod wurden sie von einem Müllhaufen gerettet. - Ferdinand Altnöder, nicht zuletzt für österreichische Art brut zuständig, hat sie mühsam zusammengetragen. Vielleicht bringt er mit dieser Ausstellung ja die Bilder dieses Außenseiters auch als Wert-Anlage auf den Weg. Die Gugging-Künstler haben das ja schon hinter sich. In der schönen Auswahl, die in dieser Ausstellung bereit ist, erstaunen die Preise. 36.000 Euro für eine größere Zeichnung von Johann Hauser! "Der teuerste Zeichner auf Papier in der Nachkriegszeit in Österreich", weiß Altnöder. Zeichnungen von Oswald Tschirtner, die vor fünfzehn, zwanzig Jahren um 500 Schilling zu haben waren, kosten jetzt an die 4000 Euro.
Allerlei Außenseiter und Werke der Art brut auch aus der Salzburger Klinik finden sich in der Schau: Mit 200 Euro noch ganz günstig sind die Acrylbilder von Ernst Schmid. Auch für die tuschgezeichneten Menschengruppen von Erich Pager und den Anonymus, der aus zwei Lagen Steno-Zeichen in Spiegelschrift graphisch anregende Blätter macht, muss man (noch) gar nicht tief in die Tasche greifen.
Auch ein schrulliger alter Herr: Kurt Hüpfner. Er zeichnet mythologische Motive, und diese Zeichnungen setzt er dann in Terrakotta um. Das sind bizarre, aber liebenswerte Skulpturen.
Worauf Ferdinand Altnöder mit Bestimmtheit hinweist: Der Verkauf von alledem ist keine Wohlfahrts-Sache, es gehe allein um die künstlerische Originalität.