Besuch der Wirklichkeit
MdM RUPERTINUM / ROPAC / DANIEL RICHTER
30/07/10 Ganz unspektakulär und deshalb umso eindrucksvoller ist im Rupertinum eine Premiere zu erleben. Zum ersten Mal überhaupt ist von Daniel Richter ein Konvolut von über hundert kleinformatigen Arbeiten ausgestellt. - Zwei Salzburger Ausstellungen gelten derzeit dem Bühnenbildner der "Lulu".
Von Wolfgang Richter
Während in der Pinakothek der Moderne in München (noch bis 15. August) Neo Rauch mit riesigen Formaten überwältigt, setzt die Schau im Rupertinum auf das Große im Kleinen und ermöglicht intime Einblicke in Richters Versuchsfelder zur Bildfindung. Die Studien, Experimente, Proben, Skizzen aus den letzten Jahren - eine Mischung aus Archiv und Tagebuch - geben Einblicke in die Ideen- und Motivwelt des Künstlers und lassen seine Arbeitsstrategien erkennen. Manche sind Vorarbeiten zu großen Bildern, andere Nachbearbeitungen oder Variationen. Das ergibt insgesamt ein vitales Wechselspiel und ein Schauerlebnis, wie es sich nur selten im Ausstellungsbetrieb bietet.
Eine mutige Entscheidung von Künstler und Museum, den Werkprozess in den Mittelpunkt zu stellen, dazu auch programmatisch zu Salzburg passend, weil sich im Anschluss ein Besuch im Barockmuseum anbietet. Dort sind anhand von „pensieri“, „bozzetti“ und „modelli“ ähnliche Wahrnehmungserfahrungen möglich. In beiden Fällen werden Wesenszüge gemalter Weltentwürfe in der Phase ihrer unmittelbaren Entstehung nachvollziehbar: Konzept- Kunst und zugleich anschauliche Theorie der Malerei. Eine Ausstellung für Kenner und Liebhaber also, aber ebenso für alle, die neugierig darauf sind, was die Faszination des Mediums Malerei ausmacht.
Im Werkstattcharakter erschließen sich auch die anliegen von Richters Malerei: Mystisch dunkle bis neongrelle Stimmungen, Figuren in elementaren Situationen des Fallens, Schwebens, Schwimmens, archetypische Landschaften, durchaus in der Tradition der deutschen Landschaftsmalerei, sowie die Lust am Fabulieren vom Expressiven bis ins Surreale.
Die Backstage Fotografien zum Bühnenbild für Alban Bergs „Lulu“ zeigen, dass es Richter gelingt, diese Emotionen auch in riesige Dimensionen zu übertragen.
Für die Galerie Ropac hat Richter einen Zyklus geschaffen, der in ausgesetzten Landschaften rätselhafte Figuren in merkwürdigen Interaktionen zeigt. Aus Lasuren und seismographischen Pinselspuren entstehen reduzierte Landschaften, in denen sich neonfarbige Figurenschemen aufhalten. Zur extremen Topografie gesellt sich die Einsamkeit, mystisch verklärt in Neon. Das alles kommt romantisch, symbolistisch, ornamentalisierend, surreal, poppig daher - das ist in Summe zu viel auf einmal. Man läuft Gefahr, sich vor den Bildern zu verlieren statt in ihnen, weil der inhaltliche Anspruch nicht mit dem malerischen Schritt hält.
Auch in den beiden großen Bildern bleibt die Organisation der Farbe auf der Fläche hinter den thematischen Versprechungen zurück. Was in den kleinen Arbeiten im Rupertinum so erfrischend expliziert ist, wirkt in der „Entdeckung Europens" oberflächlich effektvoll. Das Feuerwerk der Ideen verpufft beim „Besuch der Wirklichkeit“ in einem gemalten Potpourri. In zwei Bildern dominiert das Weiß des Schnees. Hier wird spürbar, dass Daniel Richter ein großer Maler ist.