Vom Bankerl
HINTERGRUND / SITZEN UND BESITZEN
05/10/17 Vor heimische Bauernhäuser gehört geradezu zwingend ein Bankerl. Auf dem sitzen die Austragsbauern, bevor sie ein solches reißen. Ein einladendes Sitzmöbel findet sich neuerdings auch vor dem neuen Haus der Volkskulturen im Nonntal. Im Bild sieht man die Salzburger Künstlerin Ulrike Lienbacher und Kultur-Landesrat Heinrich Schellhorn beim Probesitzen.
Von Reinhard Kriechbaum
Die beiden fühlen sich hoffentlich nicht wie Austragsbauern. Wir wollen ja Daumen halten, dass sie beide noch nicht am Ende ihrer jeweiligen Laufbahn, sei es die künstlerische oder die politische, angelangt sind. Aber einen Vorgeschmack ermöglicht ihnen das Bankerlsitzen sicherlich.
Uns Beobachtern beschert die Sache nostalgische Urlaubsgefühle. Wie freuen wir uns doch, wenn wir in südlichen Landen unterwegs sind und Einheimische vor ihren Häusern sitzen. Vor allem abends geben sie sich gerne umfassender Beschaulichkeit hin, sprich: Sie schauen nicht nur, sondern lassen sich auch anschauen. Das hat etwas unerhört Authentisches.
Angeblich steht die Volkskultur ja auch für das Authentische in allerhöchstem Maße. So sehen es weniger die Betreiber des Hauses der Volkskulturen, aber die Mehrheit in der Volkskulturszene ist allemal von der urwüchsigkeit des eigenen Tuns überzeugt. Eine Bank vor dem Haus der Volkskulturen ist also die goldrichtige künstlerische Intervention.
„Die Bank als Begegnungszone und die Schriftzüge an der Fassade symbolisieren das Vorhaben des Hauses der Volkskulturen: ein Haus der Begegnungen und der Kommunikation zu sein, das Licht und Platz bietet. Die Bank steht auch für das vorrangige Ziel von Kunst am Bau, dass Kunst im öffentlichen Raum in unmittelbarem Kontakt mit den Vorbeigehenden treten und zum Dialog anregen soll.“ So wird Landesrat Schellhorn in der Landeskorrespondenz zitiert. Nun ja, so furchtbar viele Leute flanieren im Nonntal hinter dem Orchesterhaus nicht. Hitzige Spontan-Diskussionen mit Vorübergehenden werden eher der Ausnahmefall bleiben. Aber man kann eben nicht alles haben und das Bankerl ist echt gut gemeint.
„So wie das Bankobjekt die alte Form der Hausbank zitiert, erweist die Neonschrift der Moderne ihre Reverenz“, erläutert Ulrike Lienbacher die Intention ihrer Kunst. Die Bank selbst ist – „in alter Tischlertradition“, wie sonst – aus vielen verschiedenen Holzarten gefertigt. Die traditionellen Holzverbindungen sind deutlich sichtbar ausgeführt, wirken in ihrer Form wie Ornamente, sind aber technisch funktional. „Sie verzahnen die vielen unterschiedlichen Einzelteile und bilden aus der Vielfalt ein Ganzes“, so der tiefe ikonographische Gedanke. Und: „Die Wand des Eingangsbereichs bildet den weißen Hintergrund für die Neonschrift, die wie ein Inhaltsverzeichnis das Innenleben des Hauses nach außen trägt. So wie das Bankobjekt die alte Form der Hausbank zitiert, spannt die Neonschrift den Bogen in die Moderne.“
Nun verlassen wir aber das innere Nonntal und gehen ins Künstlerhaus, wo die Initiative Architektur heute Donnerstag (5.10.) um 19 Uhr die Ausstellung „sitzen und besitzen“ eröffnet. Seit mehr als drei Jahrzehnten sammelt Erwin Neubacher, ein Salzburger Werkerziehungslehrer, Sessel und Stühle. „Im Sitzmöbel verdichtet sich die Mensch-Objekt-Beziehung.“ Das ist ein schöner Satz im PR-Text zur Ausstellung und macht anschaulich, wie anrührend-feinnervig unser Hinterteil ausgestattet ist.
Seit Studienzeiten also sammelt Erwin Neubacher. Wie das Bild zeigt, ist sein Dachboden schon recht voll. Er kauft nicht teuer am Kunstmarkt ein, sondern wird auf Flohmärkten oder im Sperrmüll fündig. Er tauscht bestenfalls um kleine Ablösen. Aber auch so stößt er immer wieder auf Pretiosen, etwa den Armlehnstuhl „A 811“ von Josef Hoffmann oder den „Y-Stuhl“ von Hans J. Wegner. Was Sitz-Design anlangt, macht man Erwin Neubacher wohl nicht so leicht etwas vor. Für die Ausstellung hat Neubacher eine Auswahl von 25 Stühlen aus seiner mehr als 320 Möbel umfassenden Sammlung getroffen.