Gulliver schaut sich Salzburg an
HINTERGRUND / THEATER ECCE / GULLIVERS REISEN
06/07/16 Um den Thrill zu erhöhen, veröffentlichen wir kein Bild vom "echten" Gulliver. Die Varianten in diesem Beitrag haben sich Kinder und Jugendliche ausgedacht für Reinhold Tritschers Ganzjahres-Theaterprojekt.
Gullivers Reisen – das wird im bundeslandweit angelegten Projekt des Theater Ecce eine eminent Salzburger Geschichte. „Die sozialkritische Satire von Jonathan Swift aus dem 18. Jahrhundert dient als Folie für eine zeitgenössische Betrachtung Salzburgs“, erklärt Reinhold Tritscher.
Er ist ja schon mitten drin im „Gulliver“: „Die Figur taugt als Platzhalter für Abenteuerreisende, Touristen, Armutsmigranten, Wirtschaftsflüchtlinge, Kriegsflüchtlinge oder Künstler, die auf Tournee Station machen, Gastarbeiter und Einheimische, die sich in ihrer Heimat 'fremd' fühlen“: Reinhold Tritscher findet viele Ansätze in dem Klassiker von Jonathan Swift. Bekannt ist bei uns vor allem die Kinderbuch-Ausgabe mit den Reisen ins Land der Zwerge (Liliput) und ins Land der Riesen (Brobdingnag). „Die Reisen auf die Inseln Laputa, Balnibarbi, Luggnagg, Glubbdudribb und Japan wie auch die Reise zu den Houyhnhnms (Pferde) sind nur wenigen geläufig“, weiß der Theatermacher. „Alle Abenteuer haben etwas gemein: Jede Reise des Lemuel Gulliver beginnt damit, dass er in einer für ihn völlig fremden Welt strandet und unweigerlich plötzlich zunächst der Fremde, der Außenseiter, der Eindringling ist.“
Die Frage nach dem – im weitesten Sinn – uns Fremden ist also das Verbindende, das Reinhold Tritscher in den vergangenen Monaten für vorbereitende Workshops weit herum geführt hat, nach Mittersill ebenso wie nach Mariapfarr, nach Hallein wie nach Muhr, nach Mittersill ebenso wie nach Oberalm. Mit Migranten, mit Menschen mit Behinderung, mit psychischen und sozialen Problemen, mit Vertretern der Volkskultur, und mit Laiendarstellern ist Tritscher zusammen gekommen. Und natürlich mit Volksschülern und jungen Menschen in Neuen Mittelschulen, aber auch mit HTL-Schülern und Orff-Studenten.
„Diese Ergebnisse wurden in lokalen und regionalen Aufführungen präsentiert und dienen neben dem Roman als Ausgangsmaterial für das Abschlussprojekt im November, in dem ein internationales Ensemble aus professionellen Schauspielern, Mitgliedern der Blauen Hunde und der VOLXtheaterwerkstatt sowie Akrobaten und Musiker auf Entdeckungsreise durch den unbekannten „Kontinent Salzburg“ geschickt werden“, schwärmt Tritscher. Salzburg 20.16 finanziert das Ganzjahres-Theaterprojekt.
Ach ja, Gulliver selbst: Er ist in etwa so groß wie ein ausgewachsener Lungauer Samson,sieht aber eher aus wie Mozart, nachdem ihn ein Regenguss überrascht hat. . In einem Pressegespräch heute Mittwoch (6.7.) hat man den Riesenkerl im Europark erstmals zu Gesicht gekriegt. Die Figur wurde vom Bühnenbildner Alois Ellmauer auf Anregung des Regisseurs entworfen. Nach Abschluss der vierzehn Theater- und Figurenbauworkshops ist nun Gullivers Reise durch Stadt und Land Salzburg angesagt. Als „stranger“ werde die Puppe in den nächsten Monaten umgehen. „Extravagant und sonderbar wird dieser „freak“ – dieses „Fukushimakind“, wie es eine Workshopteilnehmerin bezeichnete – naiv dieses Land betrachten.“
„Dass der Salzburger Gulliver das Licht der Welt bei uns im Europark erblickt, freut uns sehr. Offensichtlich hat er das richtige Gespür für Orte, an denen viel los ist!“ zeigt sich der Spar-Manager Christoph Andexlinger erfreut.
Einen Besuch von Gulliver kann man anfordern: Die Figur kann ab vier Personen mit Hilfe eines beigestellten technischen Betreuers bewegt werden. Kultur- und Sozialvereine, Unternehmen, Gruppen von Privatpersonen, die Gulliver zu einer Veranstaltung, einer Spendenaktion, oder einfach nur zu einer Wanderung ins nächste Dorf oder zu einem gemütlichen Beisammensein einladen wollen, sind aufgerufen, sich beim Theater ecce zu melden. Auch Anfragen von Einzelpersonen, die satirisch auf Missstände oder besondere Leistungen hinweisen wollen, seien willkommen, versichert Reinhold Tritscher. (Theater Ecce/dpk)