So richtig gemütlich
SCHAUSPIELHAUS / ZUHAUSE
06/05/16 Der deutschen Schriftstellerin/Theaterautorin Ingrid Lausund ist etwas aufgefallen: Viele Leute, die sich bei IKEA oder anderswo „massen-individualistisch“ einrichten, sind eigentlich arme Schweine. Ihre Beziehungs- und sostigen Defizite leben sie gut gestylt aus.
Von Reinhard Kriechbaum
Man gönnt sich ja sonst nichts. Verwöhnen darf man sich selbst schon auch mal. Und wenn die Ehefrau ein paar Tage weg ist, sogar die Sau raus und den Fernseher „an lassen“. So heißt das in Ingrid Lausunds den Charme deutscher Synchronsprecher um Längen schlagender Diktion. Es ist aber nicht nur die Sprache ziemlich (nord)deutsch orientiert, auch der Humor. Ironisch, gar witzig will diese Monologfolge eigentlich schon sein. Will nur nicht recht ankommen südlich des Weißwurstäquators.
„Bin nebenan – Monologe für zuhause“ heißt das Buch von Ingrid Lausund, das hier Bühnenhalbleben bekommt. „Nebenan“ ist vielleicht das stille Örtchen für intellektuellen Dünnpfiff, der da in Wortschwällen losbricht.
Wir beobachten also einen Einkäufer, der genau jenes Sofa kauft, das Meinungsforscher ihm als Prototypen einer Individualisten-Herde quasi auf den Leib designt haben. Wir besuchen eine junge Frau im Laura-Ashley-Kleid, die sich eine ägyptische Putzfrau – mit Kopftuch! – zulegt, mit ihr Tee trinkt und sich dabei ziemlich Multikulti vorkommt.
Leid kann einem jene Dame tun, die sich wirklich sauwohl daheim fühlt – solange der Partner im Raum nebenan bleibt. Ein echt armer Teufel ist der junge Behinderte, der das „betreute Wohnen“ hinter sich und endlich eigene vier Wände bezogen hat. Aber vielleicht ist ja auch jene Frau zu bemitleiden, die beim Schaumbad von den schwarzen Schatten der Armut heimgesucht wird.
All das sind Szenen, in denen man nach zwei Minuten durchschaut, wohin der Hase läuft. Aber keine dauert weniger als zwanzig Minuten. Macht jeweils achtzehn Minuten Zeitdefizit, das weggesteckt sein will.Zeitweise klappt's deshalb, weil die Schauspieler und -innen eigentlich eh nette Typen sind.
„Zuhause“ sind Alexandra Sagurna, Christiane Warnecke, Bernadette Heidegger, Lukas Möschl, Magnus Pflüger und Antony Connor. Ragna Heiny hat ihnen kleine Guckkastenbühnchen mit Lamellen-Sichtschutz gebaut.
Die Monologe sind (eine Verzweiflungstat von Regisseurin Caroline Richards und dem Dramaturgen Christoph Bartscheider angesichts der zu organisierenden Wortmenge) oft ineinander geschachtelt. Das ergibt ein munteres Rollo-Auf-und-Ab. Gegen Ende ist plötzlich viel los. Wenn Che Guevara als Wiedergänger auftaucht, wundern einen ein Engel und die Stimme Gottes auch nicht mehr.
Ein Theater, das keine fünfzig Minuten dauern dürfte, einen aber zweidreiviertel Stunden lang aufhält.