Eine eiskalte Abrechnung
KLEINES THEATER / ANNA UND MARTHA
12/11/13 Maria Hofstätter und Martina Spitzer brillierten in Dea Lohers Stück „Anna und Marta. Der dritte Sektor“ bei einem Gastspiel des Projekttheaters Voralberg am Freitag (8.11.) im kleinen Theater. Komik und Tragik gehen Hand in Hand. Regisseurin Susanne Lietzow gelingt eine Inszenierung, die auf kluge Art karikiert, aber nichts an Tragik und Intensität einbüßt.
Von Oliwia Blender
Wenn das Warten auf den Tod der Herrin endlich Freiheit verheißt, und das Revue-passieren-Lassen des eigenen Lebens auf eine sinnlose Dienstleister-Existenz reduziert wird, dann ergibt sich daraus unverhofft eine erhellende Darstellung von Machtstrukturen im kapitalistischen System.Maria Hofstätter (Martha) und Martina Spitzer (Anna) sind bekannt aus Film und Fernsehen und haben erst jüngst ebenfalls gemeinsam in Ulrich Seidls „Paradies: Glaube“ gespielt. Hier auf einer Salzburger Theaterbühne ein seltener Genuss für den Zuschauer: Können auf höchstem Niveau.
Martha, die hüftkranke Köchin unterliegt dem körperlichen Verfall und Anna die hypochondrische Näherin dem seelischen. Beide sind sie alt und Opfer des Dienstleistungssektors - konkret der Bierbaumschen Brauerei. Sie üben Rache, sozusagen Meuterei auf dem Schiff der untertänigen Dienstboten, als Tatwaffe dient dazu eine Gefriertruhe. Diese steht mitten auf der Bühne, zwischen all den von Plastikplanen verdeckten Möbelstücken. Eigentlich warten sie auf die Sanierung, auf das Wegrationalisieren und darauf, endlich der Utopie der Freiheit frönen zu können – am liebsten an der Côte d'Azur.
Während des Wartens erfahren die Zuschauer ihre traurig-triste Lebensgeschichte. Fast schon wie Leibeigene haben sie sich gefühlt: Martha führte eine dienstverhältnis-lange Affäre mit dem Herrn Bierbaum, liebt aber seit über dreißig Jahren den Chauffeur Meier Ludwig, der sie aber nicht wiederliebt. Anna litt unter der tyrannischen Frau Bierbaum, unter deren Geiz und Boshaftigkeit. Martha hatte keine eigene Familie, Anna verlor ihre wegen den Bierbaums. Ihr Leben resümierend und auf den Tod der Herrin wartend, verletzen sie sich gegenseitig gewaltsam und heftig. Sie erkennen ihre eigene Ohnmacht im Leben der Leidensgenossin und verachten sie dafür.
Plakativ wird der Machtmissbrauch auch durch die schwarze Haushälterin Xana. Das Opfer wird selbst zum Täter, denn Martha kompensiert ihre Unzufriedenheit durch Gemeinheiten und Diskriminierung der ausländischen Hilfskraft gegenüber. Ein Querschnitt durch die gesellschaftlichen Klassen wird dem Publikum geboten, wobei selbst der erwähnte Hund sinnbildlich für den treuen und untergebenen Diener steht – der nicht grundlos von Anna verachtet und gehasst wird.
Das Stück überzeugt intelligente Sprachmacht der Worte, die Inszenierung durch das vielfältige sprachliche und darstellerische Ausdrucksvermögen und ihre komödiantischen Talente, die sie nie plakativ ausgespielt, sondern – im Gegenteil - in den Dienst des Abgründigen gestellt haben.