Er darf das, er ist Jude
ARGE KABARETT / POLAK
24/02/11 Am Ende seines Comedyprogramms „Jud süß sauer“ tut einem Oliver Polak fast leid. Der mäßige Applaus reicht nicht für eine Zugabe, auch während der nur knapp einstündigen Darbietung scheinen weder das Publikum noch Polak selbst so richtig in Fahrt zu kommen.
Von Nina Ainz
„Ich bin Jude, ich darf das“ – Oliver Polaks Credo, natürlich nicht ganz ernst gemeint, ist abendfüllend. Das wird im Programm von „Deutschlands einzigem Stand-up-Comedian“, das er am Mittwochabend (23. 2.) in der ARGEkultur vorstellte, sehr schnell deutlich: „Ich vergesse die Sache mit dem Holocaust, und Sie verzeihen uns Michel Friedmann“, lautet seine Aufforderung ans Publikum, an diesem Abend „ganz unverkrampft“ miteinander umzugehen. Die Lacher sind durchwegs eher verhalten, aber auch damit weiß er umzugehen: „Nur weil Sie nicht lachen, heißt das nicht, dass Sie alle Antisemiten sind. Dann sind Sie nur humorlose Arschlöcher.“
Dabei sieht Oliver Polak so harmlos aus. Sein Bühnenoutfit besteht aus einem dunkelbraunen Trainingsanzug, dessen Hose ihm gerade während seiner Tanzeinlagen immer wieder herunterrutscht und die er dann beherzt wieder hochzieht. In regelmäßigen Abständen genehmigt er sich einen kräftigen Schluck aus seinem mitgebrachten Becher mit Pepsi-Cola. „Sind heute Abend noch andere Minderheiten anwesend? Schwule? Schwarzafrikaner? Schwule Schwarzafrikaner?“ Auf diese Art und Weise versucht der ehemalige Moderator des „Disney Clubs“, sein Publikum aus der Reserve zu locken. So richtig heitere Stimmung will aber nicht aufkommen, egal, ob die Scherze auf Kosten seiner „typisch jüdischen“ Mutter, seiner türkischen Ex-Freundin oder seiner selbst gehen.
Die Späße des Komikers kreisen zum Großteil um seine eigenen Erfahrungen als Sprössling der einzigen jüdischen Familie in seiner Heimatstadt Papenburg im Emsland. Häufig greift er aber auch auf die Shoa zurück. Das irritiert und stellt einen nicht selten vor die Frage: Darf ich darüber lachen? Einmal fühlt man sich an Dirk Stermann erinnert: Der sorgte Ende 2010 in der Show „Willkommen Österreich“ mit seiner Pointe, die ÖBB hätten gar nicht an den Judendeportationen beteiligt sein können, weil diese beim Tempo der Bahn bis heute nicht in Auschwitz angekommen wären, für einen kleinen Skandal. Polak jedoch darf so etwas sagen, denn er ist schließlich Jude.
Natürlich darf auch das berüchtigte „Judenspiel“ nicht fehlen. Dieses basiert auf dem Prinzip, dass Polak dem Publikum Namen bekannter Persönlichkeiten nennt, woraufhin diese sagen müssen, ob die betreffende Person „normal“ oder „Jude“ sei. Nach dem ersten Versuch ermahnt Polak die Quizteilnehmer: „Bitte sprechen Sie das Wort ,Jude‘ ein wenig freundlicher aus, es ist kein Schimpfwort.“
Obwohl die Teilnahme an diesem Spiel in Salzburg eher zurückhaltend ausfällt, wird Polaks Intention doch einigermaßen klar: Während sein Vater, Samuel Polak, und Michel Friedmann noch eindeutig beantwortet werden können, irrt das Publikum im Falle Alfred Bioleks. Es herrscht Ratlosigkeit. „Jude?“ Nein, Überraschung, Biolek ist kein Jude. Bei Pinocchio hingegen liegt das Publikum mit „normal“ richtig, trotz der langen Nase und Pinocchios ständigen Lügen, wie Polak betont.
„Jud süß sauer“ ist mal mehr und mal minder lustig. Ob man über Polaks oftmals völlig politisch unkorrekte und derbe Späße lachen kann und will, bleibt jedem selbst überlassen. Wenn der Komiker von seiner türkischen Ex-Freundin Fatma erzählt, die ihrem Vater die Beziehung mit einem Juden gestand und er dann scherzt, bei ihrem nächsten Treffen hätte er sie erst mal löschen müssen, weil sie auf dem Weg zur Kerze über den Benzinkanister gestolpert sei, ist die Betroffenheit erst mal um einiges stärker als der Drang, lauthals zu lachen. Auch die Wiener Taxifahrer bekommen ihr Fett weg: „Die sind unfreundlicher als die Gestapo.“ Aber hey, ganz ehrlich: Oliver Polak ist Jude, er darf das.