Was ist denn heutzutage schon extrem?
THEATER IN DER DRUCKEREI / ANGRIFFE AUF ANNE
19/10/2010 Im Normalfall, soweit man von "normal" im Falle des Theaters überhaupt sprechen darf, sind es Charaktere die in einer Handlung leben und erleben, in dieser Diplominszenierung ist es anders. "Angriffe auf Anne" von Martin Crimp.
Von Nic Henseke
Es ist etwas Furchtbares geschehen, aber was, bleibt noch unklar. Nur soviel, die Hauptfigur Anne versucht(e) zu sterben, immer wieder, auf verschiedene Arten, sie lebte ein Leben des Extrems, zumindest versuchte sie es. Doch was ist in unserer Welt schon noch extrem? Alles ist schon da gewesen! Porno? Radikalität? Anne hat alles versucht. - "Radikalität ist doch längst eine Form der Unterhaltung geworden.", bemerkt einer der Darsteller.
Das Bühnenwerk von dem Briten Martin Crimp heißt "Angriffe auf Anne". Dem Autor sagt man nach, er hätte wenig Interesse am erzählerischen Teil einer Darbietung. Chimp ist bekannt für die Härte seiner Dialoge. Seine Charaktere leben durch starke Emotion auf, dabei vernachlässigt er gerne die eigentliche Geschichte.
Karin Plötner inszeniert das Theaterstück im Rahmen ihrer Diplomarbeit für das Mozarteum. Die junge Berlinerin dreht den Stil des Autors um und baut die Geschichte von Anne in einer Erzählform auf. Der Hauptcharakter betritt nicht einmal die Bühne, sondern wird von sieben anderen Charakteren, über die man in dem Stück nicht erfährt, dargestellt.
Das anfangs ordentliche und strenge Bühnenbild wird gleichzeitig mit dem Charakter der Anne auseinandergenommen. Die Regisseurin lässt auf der Bühne einiges zu: rauchen, trinken/saufen, die Spielfläche beschmieren und Sex andeuten, aber nicht Pornografie. Von den sieben Darstellern wird eine Menge abverlangt, lachend, weinend, tanzend schauspielern sie sich durch die Szenen. Es ist ein Stück, das versucht, durch gewagte Szenen zu provozieren.
Die Jungregisseurin sucht ihren Stil. Die klassische Form, Theaterfiguren das Bühnenstück erleben zu lassen, wird ausgetauscht und die Figuren werden teilweise zu Erzählern der Handlung. Katrin Plötner stellt sich und dem Publikum die Frage, was auf einer Bühne erlaubt ist. Ein gelungenes Experiment, welches knapp daran vorbei schlittert, überladen zu wirken.