Idealbild „femme féministe“?
TOIHAUS / WHO THE FUCK IS ALICE
11/10/10 Woran erkennt man, dass ein kritisches ernsthaftes Augenmerk auf die Gesellschaft nicht als solches wahrgenommen wird? Wenn sich das Publikum ausschüttet vor Lachen. Oder wird Kritik an der Stellung der Frau neuerdings zur Lachnummer? Die Performance „Who the Fuck is Alice“ im Toihaus lässt nicht nur diese Fragen offen.
Von Magdalena Stieb
Die Begrüßung des Publikums erfolgt in einer Art Raum des Vorgeschmacks auf das Kommende. Spiegel hängen von der Decke, buntes Licht wirft unangenehme Schatten, an die Wand projizierte Pflanzen bewegen sich ohne Unterlass. Ein angedeuteter Rauschzustand, der auf der Bühne seine verstörende Fortsetzung finden soll. Ausgangspunkt für die Synthese aus Tanz, Gesang und „Theater“ ist ein ebenfalls an die Wand gebeamter sich drehender Guglhupf, das Sinnbild für die Kaninchenhöhle in „Alice in Wonderland“ als Beginn einer Fantasiereise in die Abgründe der Weiblichkeit.
Dem Roman werden einige Motive, u.a. die Raupe, das Ticken der Uhr und Cheshire Cat entnommen und auf das Thema der weiblichen Identitätsfindung gepresst. Die eher schmächtigen Andeutungen an den Roman bzw. Film „Alice in Wonderland“ vermögen nicht die Motivation für das gewählte Thema „Who the Fuck is Alice“ aufzudecken - welche Verbindung die Figur des fantasiereichen Mädchens Alice von Lewis Carroll mit der weiblichen Figur auf der Bühne, deren Identität nur durch ihr (männliches) Umfeld gelenkt und geprägt ist, aufweist, ist schwerlich nachzuvollziehen - bleibt eher die Frage: „Where the Fuck is Alice?“
Die Darbietung - mit Susanne Lipinski, Markus Rupert, Pascale Staudenbauer als Performern, in der Ausstattung von Irene Edenhofer-Welzl und mit Musik von Hüseyin Evirgen - verdeutlicht aufs Neue den schwierigen Umgang mit einem alten leidigen Problem: Kann man sich noch in irgendeiner Weise ernstzunehmend kritisch mittels der Kunst mit dem Thema des Feminismus beschäftigen? Das Schicksal der Frau ist Unterdrückung, (Schönheits-)Wahn, Kinderwerfen und am Ende Selbstmord - wirklich? Findet durch das erzwungen produzierte Idealbild der „femme féministe“ nicht erst recht eine Stereotypisierung, ein In-eine-Form-Pressen statt?
Vielleicht soll es nicht die „Frau am Herd“ sein, aber die Vorstellung einer strammstehenden Soldatin in einem Schlachtfeld der Männer, die sich mit jeder Emotion an der Oberfläche, ekstatisch am Boden wälzend aller Unterdrückung erwehrt, ist nicht weniger abschreckend und polarisierend. „Who the Fuck ist Alice“ ist ein erneuter Versuch eines Statements rund um die ewig aktuellen Themen Sex, Kinder, Karriere, Alter, Schönheit, konzentriert in Aussagen wie „Wenn ich allein bin, habe ich trotzdem Sex.“