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Herrisch oder närrisch, was ist Hamlet?

UNIVERSITÄT MOZARTEUM / HAMLET

11/10/23 Hamlet hatte nicht wenig wegzustecken im zarten Knabenalter. Der Vater ermordet, die Mutter mit dessen Mörder (und Bruder) verheiratet. Das Misstrauen und die Intrigen der Hofgesellschaft sind auch nicht ohne. Und dann geistert noch der Ermordete herum und fordert Rache.

Von Reinhard Kriechbaum

Da ist also so viel faul im Staate Dänemark. Kein Wunder, dass man in dem Durcheinander aus Machtgelüsten und Unmoral als Halbwüchsiger leicht den Kopf verliert. Jedenfalls fehlt es dem jungen Hamlet entschieden an Menschen, denen er glaubhaft das abschauen könnte, was man so schön „Werte“ nennt. Wohin könnte die Lebensreise führen?

Alek Niemiro, Absolvent des Thomas-Bernhard-Instituts an der Universität Mozarteum, hat sich Hamlet vorgenommen. Kein unehrgeiziges Unterfangen für eine Diplominszenierung. Derzeit ist das Ergebnis im Theater im KunstQuartier zu sehen.

„Zwischen Leib und Geist ein großer Riss“ – Was für jeden Pubertierenden sowieso gilt, trifft den jungen Hamlet mit elementarer Wucht. Der Regisseur hat sich für eine Hamlet-Version von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel entschieden. Die gut einstündige Strichfassung zielt ganz auf die Orientierungslosigkeit Hamlets in einer für ihn in seiner juvenilen Ahnungslosigkeit praktisch nicht durchschaubaren Welt. „Unverrottbar mein Verlangen, mich an nichts und niemand zu bekehren“, wird Hamlet sagen, und wer wollte ihm angesichts der Turbulenzen rundum diese fatalistische Haltung verargen?

Am Ende des Regiestudiums ist man vermutlich noch jung genug, um sich in einen Teenie à la Hamlet einzufühlen. Die Rolle weiblich zu besetzen ist in diesem Fall mehr ein Tribut an die derzeit grassierende genderfluide Mode. In Victoria Kraft hat Alek Niemiro eine durch und durch glaubwürdige Darstellerin, die beinah ungläubig aufnimmt, was um sie herum vorgeht. Wer da aller auf Hamlet einredet, Freundschaft vorgibt und doch nur eigene Interessen oder solche von anderen vertritt. Hamlet seinerseits wäre bloß auf der Suche nach „dem Anderen, der in mir steckt“.

Einer dieser anderen ist die – folgerichtig männlich besetzte Ophelia (Adrian Weinek). Und noch ein Geschlechtsverwandelter in dieser Aufführung ist Horatio (Marie Eick-Kerssenbrock). Mit ihm macht sich Hamlet zu mitternächtlicher Stunde auf, um den Geist des Vaters zu sehen – und das Schattentheater, das Horatio ihm an die Wand zaubert, tut Wirkung... So eine Buleskerie muss einem erst einfallen als Hamlet-Deuter.

Alek Niemiros Inszenierung verzichtet auf allen Firlefanz. Die Bühne ist völlig leer, Lou Hinderhofer hat sich als Ausstattung nur einen diagonal über die Decke laufenden Zylinder aus stanniolartigem Material ausgedacht. Wenn der sich im Licht dreht, entstehen indifferente Spiegelungen an den Wänden. Eine Welt in Bewegung, in der ein junger mensch keinen Halt findet.

Die „schwere Luft der Worte“ wird in den überaus präzise gearbeiteten Dialogen entsprechend aufgeladen. Die pubertäre Desorientierung – „Herrisch oder närrisch, was ist Hamlet?“ – wird in Mimik und Gestik eindringlich übermittelt.

Die Spirale des Mordes? Sie bricht mehr als Ahnung denn als reale Option über Hamlet herein, und am Ende werden alle noch am Leben sein und den Prinzen mit ihren doppelzüngigen Ratschlägen überhäufen. Morden oder eben nicht – das ist die Frage. Von den Erwachsenen jedenfalls kommen keine brauchbaren Ratschläge.

Weitere Aufführungen am 12. und 13. Oktober um 20 Uhr im Theater im KunstQuartier – www.moz.ac.at
Bilder: Universität Mozarteum / Thorben Schumueller

 

 

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