Und das an seinem großen Tag!
SALZBURGER STRASSENTHEATER / DIE NIERE
14/07/23 Niki Lauda hat's getan, und der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auch. Aber wer von uns wäre bereit, eine Niere zu spenden? Und für welchen Menschen würden wir das tun? Auf den ersten Blick kein Thema für eine Komödie. Und, so möchte man meinen, noch viel weniger fürs Straßentheater.
Von Reinhard Kriechbaum
Gerne haben wir uns bei der Premiere am Donnerstag (13.7.) nachmittags auf der Stiegl-Festwiese eines Besseren belehren lassen. Die Niere von dem Vorarlberger Autor Stefan Vögel ist ja nicht zu unrecht zum Bühnen-Bestseller avanciert.
Da konfrontiert eine Frau ihren Ehemann damit, dass sie eine Spenderniere braucht. Just an dem Abend ist auch ein befreundetes Ehepaar zum Nachtmahl eingeladen, und so bleibt die Sache logischerweise nicht unter vier Augen. Acht Augen sehen (zu) viel! Die Niere, wessen und für wen auch immer bestimmt, ist bald nur noch der Vorwand für eine Rabiat-Zertrümmerung von nur mehr notdürftig zusammengenagelten Beziehungskisten. Was da nicht so alles ans Tageslicht kommt...
Ein gefundenes Fressen für vier Vollblut-Schauspieler. Georg Clementi ist nicht nur Regisseur. Als Kathrins Ehemann Arnold – mit passender Spender-Blutgruppe – versucht er mit Windungen zum Gotterbarmen seinen Hals aus der Schlinge zu bekommen. Mit Arnold wäre man sowieso besser nicht verheiratet. Er ist mit seiner Architekten-Karriere und einem pfreisgekrönten 36-Stockwerke Turm hinlänglich beschäftigt. „Und das an meinem großen Tag, klagt er, in Selbstmitleid badend.
Anja Clementi (Kathrin) kann man am Gesicht ablesen, dass dass die Beziehung zu ihrem Mann deutlich ramponierter ist als die Niere. Alex Linse ist Götz, ein Sunny Boy in Nierengeber-Laune. „Wenn Du eine Niere brauchst, meine hast Du“, sagt er salopp, was seine Frau Diana (Karoline Troger) nicht so gerne hört. Diana ist übrigens die, die in dem Hochhausprojekt ein phallisches Symbol zu erkennen glaubt, womit die Zerwürfnisse auf der Bühne von den inneren Organen bald aufs Offensichtliche schwenken.
Die Niere bietet ein Pointenfeuerwerk, der Tiefgang geht gerade so weit, dass man mit gutem Gewissen lachen kann. Nennen wir das Stück eine Screwball Comedy mit zu vielen offenen stehenden Seelen-Türen.
Für den Thespiskarren haben sich Alex Linse und Harald Schöllbauer einen schlichten Raum ohne jeden Firlefanz ausgedacht. Einmal an die Wand geklopft, und schon fahren Sitz-Würfel heraus. Ossy Pardeller, der sonst als Gitarrist den begnadeten Chansonsänger Georg Clementi begleitet, hat für die Darstellerinnen und Darsteller diesmal Sätze in Close Harmony geschrieben, und das machen die vier auch perfekt und mit Leidenschaft. Man sollte sich Die Niere jedenfalls nicht entgehen lassen, selbst wenn man möglicherweise das Stück schon auf der Bühne (2020 im Schauspielhaus) oder im Film schon gesehen hat.