Massaker ist kein Kindergeburtstag
HINTERGRUND / UNI MOZ / ANTIKEN-PROJEKT
18/01/22 Seine stinkende Wunde störte die „Helden“. Auf einer einsamen Insel ausgesetzt, bleibt er trotzdem der Joker im trojanischen Krieg, denn Philoktet besitzt den Bogen des Herakles. Gaia, die mütterliche Göttin, brachte Himmel, Gebirge und Meere hervor, aber auch alle Ungeheuer dieser Erde. Und die Bakchen? Die haben Orpheus zerfleischt und einen anderen Typen, der ihre Orgie belauscht hatte.
Von Heidemarie Klabacher
Richtig gemütlich sind die Geschichten der alten Griechen nie. Meist geht es blutig aus. Selbst Götter werden kastriert oder auch mal bloß gestellt und verlacht. Menschen zahlen eigentlich immer drauf. Frauen werden – meist von Zeus' eifersüchtiger Gemahlin – in Kühe oder Bärinnen verwandelt und, wenn sie Glück haben, zu den Sternen erhoben. Da haben sie dann was davon. Dass auch Menschen-Männer von rachesüchtigen Göttinen gekillt, etwa von den eigenen Hunden zerfleischt werden, ist auch kein Trost. Außerdem haben die Männer die Göttinnen meist zuvor belästigt. Und die kannten kein #MeToo, sondern machten kurzen Prozess.
Mit einem Wort: Griechische Mythen sind kein Kindergeburtstag. Sie sind auch nicht umzubringen. Sie spiegeln, in welchem Gewande auch immer, die Lage der Welt, die seit jeher am Abgrund zu verorten ist. Theaterleute aller Zeiten und Generationen greifen die Mythen oder die ersten Theaterstücke der alten Griechen wieder und wieder auf. Ganz aktuell tun dies gleich drei Produktionen am Thomas Bernhard-Institut der Universtität Mozarteum.
Das Stück Philoktet ist ein zeitgenössisches Drama des Autors Heiner Müller. Regie führt Henry Schlage: „Die Geister der Toten – Odysseus. Neoptolemos. Philoket – die, aus ihrem Schlaf geweckt, sich traumwandlerisch immer tiefer in das blutige Netz des Krieges stürzen müssen. Krieg auf Troja, Krieg zwischen drei Menschen und drei Weltanschauungen, Krieg in ihren Köpfen und Körpern. Die Notwendigkeit der Entmenschlichung und das daraus folgende Zerreißen der Seelen.“
„Das Stück Gaia beschäftigt sich mit der Ausbeutung der Erde und deren Reaktion darauf. Hitzewellen, Überflutungen und Stürme stellen als Folgen des Klimawandels bereits jetzt überall auf der Welt ganze Bevölkerungsgruppen vor existenzielle Herausforderungen“, sagt Till Ernecke, der das Stück erstellt hat und Regie führen wird. „Kern des Problems ist die menschliche Grundeinstellung zur Natur. Genau diese Einstellung versucht Gaia zu beleuchten.“ In drei komplett verschiedenen Akten, will das Stück von der antiken bis zur gegenwärtigen Sichtweise auf die Erdgöttin Gaia erzählen. Auch die Textvorlagen kommen aus allen Jahrhunderten, berichtet Till Ernecke. „Ausgehend von Schriften der antiken Dichter Hesiod und Apollodor, über den dramatischen Text Herakles 2 oder die Hydra von Heiner Müller, gelangen wir zu einem auf eigener Recherche basierenden Monolog.“ Dieser Monolog ist aus Texten von Greta Thunberg und Interviews zum Thema Klimawandel zusammengestellt worden.
Das Stück Die Bakchen von Euripides ist im Original eine recht blutige Angelegenheit. Da will Dionysos, der Sohn des Zeus, sich an den Thebanern rächen, weil sie seine Göttlichkeit in Frage stellen. Er schlägt alle Frauen in seinen Bann und lässt sie wahnsinnig werden. Endet im Massaker. Kann man überall nachlesen. In der aktuellen Produktion führt Lea Oltmanns Regie: „Das Team stellt in Euripides Bakchen den Sprechakt und die Konstruktion von Geschlecht in Frage.“ In Frage gestellt würde auch „Ambivalenz aus Angst vor Autoritätsverlust und der Sehnsucht, sich mit denen zu vereinen, die von heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit unterdrückt werden“. Jedenfalls taten schon damals Frauen nicht, was von ihnen erwartet wird. „Was haben wir der Herrschaft der Väter entgegenzusetzen? Und wer ist bereit, Macht aufzugeben?“
Bilder: Marina Calabrese
Philoktet: Freitag (20.1.) um 14.30 und Samstag (21.1.) um 19.15 im Theatrum des Thomas Bernhard Instituts
Gaia: Freitag (20.1.) um 17 Uhr und Samstag (21.1.) um 20.15 im Theater im KunstQuartier
Die Bakchen: Freitag (20.1.) um 21 Uhr und Samstag (21.1.) um 17 Uhr im Theater im KunstQuartier – www.uni-mozarteum.at