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Lauter Vollprofis im Unglücklich-Sein

SCHAUSPIELHAUS / DIE NIERE

10/09/20 Hinein ins komplizierte Innenleben eines gefakten Eingeweides! Mit Stefan Vögeles komischem Beziehungsdramolett Die Niere eröffet das Schauspielhaus Salzburg im Studio die neue Spielzeit.

Von Erhard Petzel

Der Große Saal im S chauspielhaus wird umgebaut, und das ist eine positive Folge von Corona. Denn die Ruhe unter den derzeit beschränkten Bedingungen macht möglich, was im üblichen Vollbetrieb schlecht zu organisieren wäre. Während also eifrig erneuert wird, startet die neue Saison im kleineren Studio mit entsprechend geringerem Platzangebot. Die Bühne führt uns in die fallweise etwas dysfunktionale Designerwohnlandschaft des Architekten Arnold, den Antony Connor als schaumgebremst hyperaktiven Erfolgshypochonder verkörpert. Sie ist dem Innenleben einer Niere nachempfunden mit durchaus ästhetisch fesselnden Strukturen und aparten Beleuchtungen (Nora Pierer Ausstattung, Marcel Busá Licht). Selbst die stimmungsmäßig von Jazz bis Kammermusik oszillierende Szenenmusik Fabio Buccafusos ist mit Verdauungsgeräuschen angereichert.

Es gilt, einen großen Erfolg zu feiern. Arnold hat ein Büroturm-Projekt erfolgreich unter Dach und Fach gebracht, das Modell prangt im Raum. Sein Partner Tim wird die Szene zwar nicht betreten, für den weiteren Handlungsverlauf aber zentrale Bedeutung gewinnen. Denn Arnolds Frau Kathrin (Susanne Wende) hat zur Feier des Tages ein Essen unter Freunden angeregt. Bevor aber das Ehepaar Götz ankommt, teilt sie Arnold das Ergebnis eines Laborbefundes mit: Sie hat eine Nierentransplantation nötig. Ihr Vorstoß, ihren Gatten als Spender zu gewinnen, versetzt das Paar in eine äußerst gereizte Situation. Denn er ziert sich. Wie im wirklichen Leben bahnt sich der Konflikt weniger über die Sache selbst an, sondern mehr über die verkorkste Kommunikation zwischen den Partnern.

Dass Götz (Olaf Salzer als freundlicher Gutmensch) – gegen den Willen seiner Frau Diana – Kathrin sofort und ohne Umschweife eine seiner Nieren spenden würde, verschärft das Spiel der Kräfte zwischen den Partnern und den Paaren. Denn Dianas schlimmes Geheimnis lüftet sich im Reigen abendlicher und folgend morgendlicher Konversation in Gestalt eines Seitensprunges mit dem ominösen Tim. Während dieser wenigstens real stattgefunden hat, stellt sich die Nierengeschichte als bloßer Fake heraus. Kathrin hatte Arnold nur auf die Probe stellen wollen. Dass dergleichen nicht bindungsförderlich wirkt, ist eigentlich nicht überraschend. So begeben sich beide Paare auf das Glatteis eingeforderter Ansprüche bei nicht ausreichend gepflegter Beziehungsarbeit.

Das ist garniert mit Wortspiel und Situationskomik, in der das Menschliche allzu sehr menschelt. Erwartungshaltungen werden zur Strategie der Peinlichkeit, wenn die Bedeutung des Ungesagten das Gesagte unsäglich dastehen lässt. Alle Protagonisten scheinen sich professionell an ihre persönlichen Anleitungen zum Unglücklich-Sein zu halten. Es geht um gekränkte Eitelkeit, die sich in Eifersucht löst, wo der emotionelle Untergrund schwankt. Besitzansprüche und Inszenierungen lassen Liebe fraglich erscheinen. Wenn auch die Beziehungskisten am Mangel an Empathie scheitern, erscheinen die Figuren dennoch bedauerlich und wirken doch letztlich etwas konstruiert, wo die kausalen Volten zu plötzlichen Haltungsumschwüngen führen.

Jérôme Junod führte als Regisseur die beiden Paare sicher durch ihre erregten Verwicklungen und bereitete dem Publikum damit nach langer Abstinenz einen anregenden Abend mit leichter Tiefe. Vielleicht hält ja eine der Figuren einen Spiegel parat für die Besucherin oder den Besucher, wofür sie oder er dann wohl auch eifrig applaudiert.

Aufführungen bis 30. Oktober – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Jan Friese

 

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