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Deckel auf den Tod

ARGE KULTUR / EENE MEENE TOT

14/03/19 Vorhof zur Hölle? Wartezimmer zum Himmel oder zum Büro des Personalchefs? Casting für ewiges Leben oder Ehrenamt? Im Limbus landen unschuldige Seelen, die nicht ins Fegefeuer müssen. Passt nicht. enn tot sind sie ja nicht. Oder doch? Vielleicht ist es auch nur ein Kellertheater mit unfähigem Personal.

Von Heidemarie Klabacher

„Ich glaube nicht, dass es die Falten sind. Das ganze Gesicht sackt so ab“, erklärt die alte Dame, die sich noch nie in einem Spiegelbild wieder erkannt haben will. Die Jüngere hat ein Jugendfoto mitgebracht, mit dem sie zeigen will, dass sie „auch offen ist, für's Blondsein“. Dem jungen Burschen, lockiger Sunnyboy und Musiker, machen Spiegel Freude, besonders in der Dusche. Worauf besagte Dame in den besten Jahren - mit Strickjackerl und roten Söckchen trifft man diesen Typ Frau wuselnd in Bildungshäusern - das traurige und deftige Wienerlied von der alten Hure anstimmt. „Das ist ein Arbeiterlied“, erklärt die junge hübsche Frau dem älteren Herrn, der rein gar nichts kapiert, aber höllische Angst vor dem Sterben hat.

Diese fünf Personen, bunt zusammengewürfelte Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Generationen, begegnen einander. Wo? Warum? Manches erinnert an „Theaterspielen“. Immerhin haben sie vier mit Publikum vollbesetzte Stuhlreihen vor sich. Ein Stück soll auch aufgeführt werden, sogar uraufgeführt: Eene meene tot. Ein bunter Abend zur eigenen Endlichkeit hatte ja auch tatsächlich Premiere am Mittwoch (13.3.) im Studio und in Kooperation mit der ARGEkultur. Aber wo sind die Protagonisten am Ende wirklich hin, wenn draußen hinter dem Bühneneingang einfach gar nichts ist...

Anspielungen auf Theater und Schauspielersein ziehen sich leitmotivisch durch den Abend, ziehen neben Alter und Tod eine weitere Sinnebene ein und ermöglichen skurrile Assoziationen und Twists. Denn genau damit machen sich die Protagonisten, die die Präsenz von Verfall und Tod und Endlichkeit nicht wahrhaben wollen, gefinkelt lustig über sich selbst als (alternde) Schauspieler. Und was ist schon das Leben? Ein Schauspiel nur... „Wäre doch blöd, wenn es aus ist, und es war nichts. Schwer, da eine Dramaturgie zu finden, Ich habe das Gefühl, ich stecke noch in der Exposition...“ Und wie soll es eine Pause geben, wenn das Stück noch gar nicht angefangen hat?

Requisiten gibt es, aber: Die sind nummeriert und den ebenfalls nummerierten Protagonisten eindeutig zugewiesen. Auch dadurch entstehen wie aus dem Nichts, einzelne fast slapstikhafte Situationen, die mit (bescheidener) Akrobatik aufgelöst werden müssen: Wird ein Stück mit der falschen Nummer genommen, geht der Alarm los.

Sonst aber geht nichts los, es ist ja auch kein Verantwortlicher da. „Die Veranstalter schaffen es nicht, etwas anfangen zu lassen, und ich soll über mein Ende Bescheid wissen“, protestiert der etwas ältere Herr, der es sich nicht absprechen lassen will, etwas wollen zu dürfen. Und was er sicher nicht will, ist sterben. Auch wenn er es „tröstend“ findet, dass man mit seinen Freunden gemeinsam alt wird, und alle, ALLE sterben müssen. „Wenn die alle wegsterben, ist es auch nicht lustig“, grummelt die Seniorin der Runde.

So taumelt in leichtem Delirium der so ergötzliche wie bewegende Abend vor sich hin. Sterben möchte sie „gemeinsam mit dem Mann, den ich dann haben werde“: Trauriger und bewegender wird die Sehnsucht mittelalter Selbsterfahrungs-Singles auf den Punkt gebracht. Da hat jemand Menschenkenntnis.

Chromosom XX versteht sich als ein Verein von Theatermacherinnen“, heißt es auf dem Programmzettel, „die moderne und absurd-groteske Formen des Theaters suchen.“ Mit Eeene meene tot haben sie eine solche gefunden – und einen Hit gelandet, der ins Repertoire gehört. Dieses Stück ist origineller und eigenständiger als vieles, was als zeitgenössische Dramatik gehandelt wird, und kommt ohne deren Selbstverliebtheit in die eigene Sprachkunst daher. Distanz und Selbstironie erlauben trotz des „traurigen“ Themas, keine Sekunde Kitsch- oder Weltverbesserungsverdacht. Zu treffend stechen die neckend und nicht belehrend erhobenen Zeigefinger in die Wunden unserer Tage der Selbstoptimierung und Selfie-Schminkfunktion im Handy. Ist ja alles nix anderes als Ausdruck unserer Todesangst vor dem Tod.

Bernadette Heidegger führt Regie. Es spielen in Salzburg gute Bekannte, Elke Hartmann, Katharina Pizzera, Cordula Schurich, Volker Wahl und der Benjamin der Runde, der Musiker Benjamin Baierlein. Von Ragna Heiny ist die Bühne mit Sofa, Spiegel, Chanukkaleuchter und weiterem Klimbim, wie der Büchse der Pandora. Drin ist ein Zettel, auf dem alles steht über den Tod. Und jetzt wissen wir auch, warum wir alle sterben müssen. Die Wahnsinnigen haben die Büchse geöffnet.

Eene meene tot – weitere Aufführungen im Studio der ARGEkultur heute Donnerstag (14.3.) um 19.30 sowie am 19., 20. und 21. März - www.argekultur.at
Bilder: ARGEkultur/ Michael Größssinger

 

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