Nervensägen
SCHAUSPIELHAUS / SONNY BOYS
17/11/18 Ist es bewundernswerter Ehrgeiz oder bewusster Selbstmord auf offener Bühne, „Sonny Boys“ zu spielen? Man hat da ja nicht nur den Film von 1975/76 mit Walter Matthau, George Burns und Richard Benjamin im Kopf. Im Schauspielhaus wagt man es.
Von Reinhard Kriechbaum
So trivial, aber auch so treffsicher wie Neil Simon hat kaum je ein Komödienschreiber auf den Punkt gebracht, wie zwei alte Menschen einander nerven können. Zwei Schauspieler-Leben lang sind sie Komiker-Duo gewesen, dann hat einer den Hut drauf geschmissen. Jetzt ist ein jeder der beiden seit elf Jahren ein halber Zwilling, erfolglos, abgesandelt – nur der Hass aufeinander funktioniert. Professsionalität macht sich bezahlt, auch da. Dass die „Sonny Boys“ in einer TV-Show noch einmal ihre einst legendäre Doktornummer zeigen sollen, wird wohl nicht funktionieren...
Die Schauspielhaus-Recken wie Marcus Marotte und Olaf Salzer – da drängt sich augenblicklich die Assoziation zu Dick und Doof auf. Auch in dieser Konstellation ist Dick, pardon, Marcus Marotte in der Rolle des Willie Clark, ein ganz Hintertriebener: „Ich bin glücklich. Ich sehe nur unglücklich aus.“ Man weiß nie, meint er's ernst oder spielt er. Der Zugang, den Marcus Marotte und die Regisseurin Maya Fanke zu dieser Rolle finden, ist dieser latenten Verstellung nicht wirklich angemessen. Das Zähnefletschen der Frustwuchtel Willie Clark wirkt zu direkt, zu allgegenwärtig. Weniger lautstarke Emotion, dann wäre die Sache deutlich charmanter.
Sozusagen von Natur aus hat der Gegenspieler, Olaf Salzer als Al Lewis, bessere Karten. Er hat einfach viel weniger Text, da kommt es mehr auf Körpersprache an. Gerne setzt Salzer einen neugierigen Blick auf. Da scheint er alles um sich herum zu vergessen und nimmt irgendein Detail in der Wohnung des Freund-Feindes (nie diesen selbst) ins Visier. Das ist seine Masche, um vom eigenen Defizit (beginnende Demenz wohl) abzulenken. Nebenbei nur erzählt: Im Film war George Burns dieser Gegenspieler von Walter Matthau. Der damals Achtzigjährige hat einen Oscar bekommen – als bester Nebendarsteller wohlgemerkt. Die Gewichte waren auch damals ungleich verteilt.
In der Salzburger Aufführung ist Bülent Özdil der Neffe und Agent des Willie Clark, auch er mit dem Alten im Dauer-Clinch. Christiane Warnecke ist die Krankenschwester. Im Programmheft beschreibt die Regisseurin das Stück als „fantastisches Schauspielertheater“. Stimmt, und genau das ist schon auch ein kleines Problem dieser Aufführung. Isabel Graf und Agnes Hamvas haben die Ausstattung stilsicher in den frühen 1970er Jahren verortet, als Neil Simon dieses Stück schrieb. Simon ist übrigens heuer im August im Alter von 91 Jahren in New York gestorben. Schadet nicht, seiner zu gedenken, auch wenn ihm als Erfolgskomödienschreiber immer auch der Vorwurf der Seichtheit gemacht wurde.