Griechisches Theater ganz aktuell
27/10/17 Griechische Tragödien und der Hit „It’s raining men“? Schauspiel, Ballet und Oper auf einmal? Was auf den ersten Blick nach einer etwas zeitgeistigen Melange klingen mag, entpuppt sich als gelungene Idee des Landestheaters – am Mittwoch (25.10.) feierten die „Dionysien“ ihre Premiere.
VON VERENA RESCH
Als „Theaterspektakel wie im alten Griechenland“ wurden die „Dionysien“ als Großprojekt des Salzburger Landestheaters angekündigt. Einen Theaterabend ganz nach dem Vorbild der alten Griechen, die bei diesen Theaterfesten an einem Tag drei Tragödien und eine Komödie präsentierten, wollte man bieten. Zwar keinen ganzen Tag (von einer Woche ganz zu schweigen), aber immerhin doch gut vier Stunden – inklusive großer Pause – dauert das Spektakel in der Felsenreitschule. Eröffntet wird mit der Prometheus-Tragödie von Aischylos. Die Geschichte des Titanen - dargestellt von Christoph Wieschke - der den Menschen das Feuer bringt und zur Strafe von Göttervater Zeus an einen Felsen gekettet wird, kommt dabei trotz einer eigentlich kurzen Aufführungsdauer eher langatmig und trocken daher. Eine kleine Auflockerung bringt da nur Nikola Rudle als Io, von der eifersüchtigen Göttergattin Hera in eine Kuh verwandelt und gequält von einer sie andauernd verfolgenden Bremse.
Zarte Klänge – in starkem Gegensatz zu dem heftigen Donnergrollen, unter welchem Prometheus schließlich in das Schattenreich des Hades gesandt wird – erklingen, wenn im zweiten Teil Medea vor Gericht gestellt wird. In Rückblenden wird die Vorgeschichte der Medea erzählt, die zunächst die Geliebte ihres Mannes Iason und schließlich das gemeinsame Kind tötet. Das Ensemble, allen voran Márcia Jacqueline und Flavio Salamanka als Medea und Iason, liefert dabei eine wirklich ausdrucksstarke und eindrucksvolle Darbietung.
Auch in der großen Pause wird für griechisches Flair gesorgt – griechisches Buffet mit Trauben und Schafskäse stimmt auf den zweiten Teil des Abends ein.
Nach Schauspiel und Ballett wird mit „Oedipus rex“ die dritte Tragödie in Form einer Oper gezeigt. Die Geschichte über die Unabwendbarkeit des Schicksals, über den Findling Oedipus, der seinen Vater ermordet ehe er seine Mutter ehelicht, wird in sachlich-moderner Aufmachung auf die Bühne gebracht. Auf tragische Weise aktuell erscheint dieser Oedipus: ein Herrscher, der sich volksnah gibt und freundlich Hände schüttelt, hinterrücks aber zu Feuchttuch und Desinfektionsspray greift. Auch der moderne Oedipus (Roman Payer) kann dem Schicksal - wie vom Orakel vorausgesagt - nicht entgehen. Es kommt unausweichlich zum tragischen Ende: Seine Mutter (Aude Extrémo) erhängt sich und Oedipus selbst sticht sich mit ihrer Spange die Augen aus.
Leichte Kost hatten die „Dionysien“ ebenfalls zu bieten. Wie bei den alten Griechen üblich, schloss der Abend mit einer Komödie. Es dauerte es nicht lange, bis Tim Oberließen in der Rolle des Trygaios mit seinem Witz das Publikum auf seiner Seite hatte. Auch wenn der Stoff von Aristophanes gänzlich in ein neues Kostüm gekleidet wurde – so ist Trygaios kein Hirte mehr, sondern ein Kölsch liebender Bursche im Jogginganzug – ist die Botschaft die gleiche: Sinnlosigkeit des Krieges. Ganz nach griechischem Vorbild wurde auch hier das tagespolitische Geschehen mit einbezogen und so wurde nicht mit Anspielungen auf Donald Trump und Kim Jong-un oder die Abgasaffäre gespart.
Schon als sich Trygaios mit seinem „Mistkäfer 2.0“ zur Musik von „It‘s raining men“ auf den Weg in den Olymp macht und in der Luft Purzelbäume schlägt, kommt im Publikum Stimmung auf und klatscht fröhlich mit im Takt. Für viel Gelächter sorgt auch Sascha Oskar Weis als Götterbote Hermes, der ganz das Klischee des grantelnden Österreichers verkörpert. Mit vereinten Kräften gelingt es schließlich, die Göttin des Friedens zu befreien und auch das Publikum ist gefragt, wenn zum Tanz aufgefordert wird. Zwar braucht es erst ein paar Mutige, ehe sich auch der Rest anschließt, doch schon bald gleicht der Zuschauerraum einer fröhlichen Party. Und so manchem mögen vielleicht noch Trygaios‘ Worte im Ohr nachklingen, als er in die Nacht hinaustritt – „Arschbacken zusammenkneifen für den Frieden!“