Was früher einmal lustig war
LANDESTHEATER / MARIONETTENTHEATER / MACHT DER GEWOHNHEIT
29/01/17 Im Festspielsommer 1974 wurde „Die Macht der Gewohnheit“ von Thomas Bernhard bei den Festspielen im Landestheater uraufgeführt. Jetzt ist das Stück über das Scheitern in der Kunst gleich nebenan auf der „Bühne 24“ (im Marionettentheater) wieder zu sehen.
Von Werner Thuswaldner
Es ist ein seltsames Wiedersehen, denn der Eindruck im Vergleich von damals zu heute hat sich beträchtlich verändert. Caribaldi, Direktor eines provinziellen Zirkus, irrtümlich „Geistesmensch“ genannt, gebärdet sich als Despot, der Mitglieder seiner Truppe quält, Schuberts „Forellenquintett“ einzustudieren. Die Komödie hat mittlerweile eine Menge Patina angesetzt.
Die Produktion des Landestheaters hat zweifellos ihre Meriten. Ja, die Besetzung war 1974 exzellent. Bernhard Minetti begeisterte in der Rolle des Direktors. Aber die aktuelle Inszenierung braucht sich mit den schauspielerischen Leistungen nicht zu verstecken. Bernhard rief damals mit seiner Gewohnheit, bestimmte Passagen immer wieder zu wiederholen, Gelächter hervor. „Morgen in Augsburg“ etwa wurde zu einer geflügelten Wendung. Heute erscheint dies als Penetranz, die nervt. Dem Spaßmacher fällt unentwegt die Mütze vom Kopf. Damals kamen einem die langwierigen Erörterungen darüber als komisch vor. Heute wartet man gähnend ab, bis sie vorbei sind. Solche Beispiele hat der Text dutzendweise zu bieten.
Es mag daran liegen, dass sich Bernhard damals mit seinem Stück nahe am Absurden Theater bewegte. Und das liegt, von heute aus gesehen, weit zurück. Der Zirkusdirektor erscheint als lamentierender Schreckenstyp – alles ist von Übel, besonders die Welt und die Menschen. Aussichtslos kratzt er am Cello kratzt und wirkt nicht als jemand, der grundlegende Fragen der Kunst aufwirft. Was soll man zu seinem Plan sagen, die Zirkuskunst mit der klassischen Musik zu vereinen? Ein Konzert in der Manege, während in der Kuppel, die Seiltänzerin vorführt, was sie kann. Unerreichbare selbstgesetzte Ziele.
Regisseur Marco Dott zeigt keinen heruntergekommenen, schmuddeligen Kleinzirkus. Alles ist adrett und sauber. Katja Schindowskis Ausstattung hält sich farblich zurück. Bemalte Kisten stehen herum, in denen jeweils ein Musiker gut Platz hat. Heruntergekommen sind die Charaktere, jeder ausgestattet mit einem Tick. Dies arbeitet die Regie kräftig heraus. Marcus Bluhm redet sich als Caribaldi immer wieder in Rage. Die Beinprothese hindert ihn nicht daran, aufs Klavier zu springen. Hanno Waldner liefert als Jongleur die Studie eines psychisch schwer Gestörten ab. Walter Sachers produziert als Spaßmacher bewusst erbärmliche Lustigkeit, und bei Janina Raspe als Seiltänzerin sind außer seelischer Verkrüppelung noch Spuren von Aufmüpfigkeit zu erkennen. Besonders drastisch führt sich Axel Meinhardt als Tierbändiger auf, ein torkelnder Betrunkener, der sich an einem großen Rettich festhält. – Was einst als „grimmiger Humor“ galt, erweist sich heute nur als bedingt komisch.