Lügen haben lange Nasen
SCHAUSPIELHAUS / PINOCCHIO
01/12/16 Die Lieblingsszene der Rezensentin ist die im Bauch des großen Fisches, in dem Pinocchio und sein Vater nach vielen Abenteuern auf beiden Seiten einander endlich wieder begegnen: Das reizende Seeungeheuer schwimmt in den Tiefen des Ozeans, für die es nichts weiter braucht, als ein paar phosphoriszierende Schnüre und Mit-Fische mit leuchtenden Konturen.
Von Heidemarie Klabacher
„Pinocchio“ nach Carlo Collodi hatte am frühen Vormittag des Donnerstags (1.12.) als Kinderstück mit Musik in Theaterfassung und Regie von Mareike Zimmermann seine lauthals bejubelte Premiere im Schauspielhaus.
Dem Aufgeregtheits-Pegel nach zu schließen, waren die Kinder von der Wieder-Begegnung Pinocchios mit dem Betrügerpaar Fuchs und Kater besonders angetan: Geradezu aus dem Häuschen, versuchten die besorgten Kinder den naiven Burschen davon abzuhalten, die kostbaren Goldmünzen der Fee zu vergraben, auf dass Goldbäumchen daraus wüchsen. Der Auftritt des „Blauen Mädchens“, wie Pinochio die Fee nennt, mit ihrer wiegenden Mondsichel ist ebenfalls von größter Poesie. Wieder einmal ist im Schauspielhaus, mit wenigen – dafür aber geradezu verzaubernden Mitteln – ein Stück gelungen, das voller Poesie die Phantasie beschwört.
Das Stück folgt dem Kinderbuchklassiker und funktioniert auf der Bühne ganz wunderbar: Wir erinnern uns an Gepetto, den Holzschnitzer, dessen Holzpuppe zum Leben erwacht und von ihm als Sohn angenommen wird. Der ist freilich so sperrig und spröde wie das Material aus dem er geschnitzt ist, weiß alles besser – und weiß doch leider gar nichts. Weder die Reihenfolge der Zahlen, noch, dass es betrügerische Leute gibt auf der schönen Welt.
Sein großer Wunsch, ein „richtiges“ Kind zu werden, treibt ihn um. Hier endet die Stückfassung von Regisseurin Mareike Zimmermann beinahe offen – denn Pinocchio und Gepetto singen – ganz zu recht – im Finale davon, dass es gut ist, so zu sein, wie man ist...
Agnes Herrlein nimmt man den zierlichen feingliedrigen Pinocchio mit jeder Bewegung und Geste ab. Nico Raschner ist der getreue Gepetto. Tilla Rath und Lukas Bischof brillieren als Fuchs und Kater bzw. Krabbe. Janna Ambrosy verzaubert als Fee und wuselt als übereifrige Biene. Die drei Krabben, die Pinocchio auf’s Meer hinaus weisen und auf die Spur Gepettos bringen: Sie leben hoch! Sie sind der Hit in der Ausstattung von Isabell Graf. Unaufdringlich und eingängig ist die Musik von Fabio Buccafusco.