Jederzwerg im Salzburger Biedermeier
SCHAUSPIELHAUS / KINDEROPER
01/07/16 „Mathilde, Max und Fasolan oder Die Zwerge von Schloss Hellbrunn“ ist ein spezielles Produkt. Robert Pienz plant als Intendant des Schauspielhaus Salzburg einen Opernbetrieb für Kinder, der in der kulturellen Sauregurkenzeit für Familien, also den Sommerferien, stattfinden soll.
Von Erhard Petzel
Zum Auftakt produzierte er kurzerhand ein eigenes Werk, das als Versuchsballon dieses Konzept erprobt. Um es gleich vorwegzunehmen: Das Haus ist bestens für die Umsetzung einer solchen Idee geeignet, die Uraufführung von „Mathilde, Max und Fasolan oder Die Zwerge von Schloss Hellbrunn“ am Donnerstag (30.6.) war ein voller Erfolg.
Nicht allzu trocken, lässt die Akustik die Entfaltung von Kammerorchester und Solisten im intimen Raumambiente ohne Verstärkung zu. Sehr gut zur Geltung kommt der glasklare und dabei klangstarke Kinderchor, dem man mehr Möglichkeiten zur Entfaltung gewünscht hätte. Besonders wirksam die Zwergenkostüme mit zitierten Elementen der Originale (Ausstattung Ragna Heiny). So einfach wie wirksam das Bühnenbild: Treppen zum Prospekt der Fassade von Schloss Mirabell, das aufgeklappt einen Spiegelsaal freigibt. Maxis (Benjamin Moules) roter Ball hat die gleichen weißen Tupfen wie das Kleid seiner Schwester Mathilde (Yvonne Moules), nur muss er nicht wie diese singen.
So tadellos die musikalische Umsetzung unter Onofrio Gallina durchgeführt ist, so unsicher bleibt Pienz‘ Anspruch auf große Oper. Sowohl sein Text wie Fabio Buccafuscos Musik sind wohl zu sehr retrospektiv orientiert. Zwar mag eine Ouvertüre, die Anklänge an Mozart nicht scheut, dem Handlungsstrang um das bayrische Paar von Prinz Ludwig und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen ein zeitaffines Pendant bieten, wenn dieses 1812 in Mirabell einzieht. Wenn aber das musikalische Idiom eklektisch vorwiegend traditionelle Hörerwartungen erfüllt, vermittelt es trotz des delikaten Kammerorchesterklangs eher die Ästhetik eines Musicals.
Wie bei einem solchen haben die Charaktere auch wenig Gelegenheit sich zu entfalten. Am besten hat es da noch Cecilia Berglund als Salome Alt, deren Auftritt als Primadonna auch musikalisch verschiedene Gefühlslandschaften durchschreitet (samt Gesinnungswandel nach dem Muster Opera seria). Helmut und Gerhild Zeilner müssen als heutiges Ehe- und Bayrisches Prinzenpaar in ihren Arien holzschnittartige Persönlichkeiten zeichnen. Das Freundschafts-Duett zwischen Tochter Mathilde und Oberzwerg Fasolan (Ulf Dirk Mädler) schafft Fakten, die dramaturgisch nicht wirklich entwickelt sind.
Wenn Zwerge nach Tonsilben heißen, dann wünschte man sich für eine heutige Kinderoper auch eine leichte Textausrichtung nach dem zitierten Sido. So aber knittelreimt sich Fasolan stimmstark als Jederzwerg durch seine Monsterrolle vom starren Stein zum Motor des Spiels. Die Mutter ist grantig, die Prinzessin böse, die Zwerge sind einfach nur hässlich. Schade um das versäumte Spiel mit den Ständen, deren vergnomte Karikaturen die Originale ja zeichnen. Wenn Pienz einleitend meint, man könne mit seinem Slogan „wir oder sie, sie oder wir“ schon auch Inhalt aufpicken, so hätte er dafür etwas mehr Futter streuen dürfen.
Vielleicht liegt eine besondere Problematik in der Auffassung von Kinderwelt aus Sicht Erwachsener. Das Schauspielhaus kann auf Erfahrungen aus der eigenen Geschichte zurückgreifen mit der Reihe von Kinder-Musicals des Teams Blaikner/Cosy. Sicher eine heikle Gratwanderung, auf der einen Seite kindgerecht zu reduzieren, auf der anderen mit Herausforderungen zu reizen. Für ein dauerhaftes Projekt wird man wahrscheinlich mutig in die Zukunft vorstoßen müssen, um nicht in einem mentalen Biedermeier kleben zu bleiben.
Das konzentrierte und disziplinierte Publikum – darunter eine Schulklasse mit Halbwüchsigen – war aber sehr begeistert.