Warum Eva in den Apfel gebissen hat
LANDESTHEATER / PROBEBÜHNE / SÜNDENFALL
29/04/16 Vom Kitzel des Verbotenen bis zur Ekstase des Exzesses. In der Eigenproduktion „Sündenfall“, die am Donnerstag (28.4.) in der Probebühne am Rainberg ihre Uraufführung erlebte, führt das Ballettensemble des Salzburger Landestheaters nicht nur Eva in Versuchung.
Von Christoph Pichler
Bevor sie den Katalog der Todsünden öffnen, präsentieren uns die Choreographen Peter Breuer und Alexander Korobko erst einmal den (noch unschuldigen) Menschen. In fleischfarbenem Oberteil und Höschen empfängt uns Eva (Anna Yanchuck), die einsam ihre Pirouetten dreht. Langsam füllt sich jedoch die Bühne mit weiteren Nackten, bilden sich kleine Grüppchen und Paare. Am Ende ist Eva aber wieder ganz auf sich allein gestellt.
Nach diesem kurzen Prolog ist es Zeit für die Versuchungen, die Eva und ihre Nachfahren nicht mehr loslassen werden. In jeweils zweigeteilten Sequenzen werden nun die sieben Todsünden systematisch und in all ihrer verführerischen Süße präsentiert. Dabei übernimmt jeweils ein mythischer Bösewicht das Kommando: Der gestürzte Engel Luzifer (Iure de Castro) steht für den Hochmut, der bei ihm nicht nur sprichwörtlich vor dem Fall kommt. Der in Salzburg jedermann bekannte Mammon (Diego da Cunha) verlockt zur Habsucht, zum artverwandten Neid stachelt Leviathan (Liliya Markina) an. Und schließlich entlässt Beelzebub (Marian Meszaros) als Verfechter der Völlerei das Publikum nach einer Fressorgie ans Pausenbüffet.
Eine Gruppenchoreographie aller sieben Todsünden eröffnet den zweiten Teil des Bilderzyklus. Dabei schläfert Belphegor (Karine de Matos) mit ihrer zur Schau getragenen Trägheit nicht nur sich selbst fast ein, ehe Satan (Mikino Karube) voller sündhaftem Zorn zur großen Schlacht ruft. Als letzte der großen Verfehlungen wird dem Publikum schließlich von Asmodeus (Cristina Uta) die Wollust in all ihren Ausschweifungen präsentiert. Dass diese moralischen Exzesse letztlich tödlich enden können, ficht Eva in der Schlussszene nicht an. Sie lässt sich zum Apfelbiss verführen, und das scheint nach all dem Gezeigten auch gar keine so schlechte Wahl gewesen zu sein.
„Südenfall“ ist ein typischer Breuer im besten Sinne. Mit Alexander Korobko hat der Ballettdirektor des Salzburger Landestheaters wieder einen idealen Partner gefunden, mit dem er seine verführerische Mischung aus klassischem Ballett und modernen Tanzformen in wunderbare Bilderfolgen gießt. Musikalisch spannt sich der Bogen von Klassik über Electroswing bis zu weiblichem Deutsch-Rap, der ein Intermezzo zur Geschwätzigkeit (Liliya Markina) mit Wortkaskaden untermalt.
Ein weiteres Highlight sind die phantasievollen Kostüme (Bettina Richter), die mal mit den 20er Jahren flirten, mal ins Rotlichtmilieu entführen oder auch an eine höfische Tafel bitten. Schlicht gehalten ist dagegen die von Peter Breuer konzipierte Bühne. Neben ein paar drehbaren Wänden und einer langen Poledance-Stange am Bühnenrand weckt vor allem eine kreisrunde Videoleinwand Aufmerksamkeit, auf der symbolische Szenen und Bilder die jeweils gerade ausgelebte Sünde unterstreichen oder gedanklich fortschreiben.
Bei einem Stück von Peter Breuer, weiß der Besucher, was er zu erwarten hat, und wird auch diesmal nicht enttäuscht. Gemeinsam mit seinem Ballettmeister Korobko hat er den „Sündenfall“ mit einer losen, aber stimmigen Szenenfolge bebildert, die mal ernste, mal komische Töne anschlägt, musikalisch und tänzerisch durch verschiedenste Stile pflügt und ein begeistertes Premierenpublikum hinterlässt, das seltsamerweise von den zur Schau gestellten Sünden keineswegs abgestoßen wirkt.