Schnee von gestern
SALZBURGER ADVENTSINGEN
07/10/15 „Bethlehem allein hätte mir gereicht, nein, es muss auch Schnee sein.“ So der langjährige Bühnenbildner des Salzburger Adventsingens, Dietmar Solt mit Augenzwinkern.
Von Reinhard Kriechbaum
Die Anforderungen schilderte er in einem Pressegespräch geradezu mit Thrill. Schneien muss es also in einer Szene, weil der Titel der diesjährigen Neuproduktion im Großen Festspielhaus heißt ja „Schnee in Bethlehem“. Was diesen Schnee betrifft, konnte man erfahren, was einen Bühnenbildner im Herzen bewegt: Das Salzburger Adventsingen spielt ja immer vor dem Eisernen Vorhang. Bühnenbeschneiung wäre kein Problem, aber so nahe am Publikum weiß man nicht, wie die Thermik ist. Nicht auszudenken, wenn es in die falsche Richtung schneien würde! Styroporkügelchen als Flocken scheiden aus, weil sie ob ihrer elektrostatischen Eigenschaften womöglich auf den Dirndlkleidern der Besucherinnen in den vorderen Reihen haften blieben. Und gegen feine Seifenflocken spricht, dass diese, mal am Boden gelandet, die Bühnenreinigung zwischen Nachmittags- und Abendvorstellung zum Problem machen würden. Morgen Donnerstag (8.10.) ist eine Beschneiungs-Probe im Festspielhaus angesetzt, wo man unterschiedlichste Materialien ausprobieren wird. Man wird wohl auch nicht mit Schneekanonen von der Skipiste auf die Hirtenkinder schießen.
Caroline Richards wird wieder Regie führen. Sie arbeitet zum vierten Mal fürs Salzburger Adventsingen und verspricht „eine Herzensangelegenheit“. Man könne sich freuen „auf eine berührende Geschichte“, in der drei elternlose Kinder die Hauptrollen spielen. Sie hören einer Großmutter (Alexandra Tichy) zu, die von Weihnachten früher erzählen wird. Inhaltlich wird dieses Adventsingen also mit Schnee von gestern zu tun haben, bestätigt Adventsingen-Leiter und Textautor Hans Köhl: „Es werden Dinge vorkommen, die wir alle kennen.“ Das Erzählen sei eine alte literarische Form, „die Bibel ist letztlich nichts anderes“. Der Erzählpart und die Musik werden eng verschränkt sein, kündigt Shane Woodborne an. Es ist das sechste Mal, dass er fürs Adventsingen komponiert.
Im neuen Stück wird also „die erdige, praktische Welt der Hirtenkinder mit der orientalischen Welt verbunden“, erklärt Caroline Richards. Der Orient war nach Erinnerung von Hans Köhl bisher noch nie ein Thema beim Salzburger Adventsingen. Hellmut Hölzl hat aus 140 Metern Stoff orientalische Hirtengewänder und die Kleidung für die erwachsenen Darsteller geschneidert. Dabei habe er sich „von der orientalischen Bekleidungskultur zwischen 1640 und 1720 inspirieren lassen“. Schon ehzeitig habe er mit der Beschaffung geeigneter Materialien begonnen, berichtet Hölzl. Es sei ihm wichtig, dass das Ganze als erzählte Geschichte einen historischen, musealen Charakter bekommt“. Das sei „handwerklich anspruchsvoll, weil es auf jeden Knopf ankommt“.
Da hat Stefan Sperr vom Salzburger Heimatwerk mit anderen Realitäten zu tun: Er ist fürs Finanzielle zuständig. Noch ist nichts ausverkauft, vor allem an Freitagen, Sonntagen und am 8. Dezember noch nicht. Auch das Adventsingen-Publikum bucht ja immer kurzfristiger. Aber mit 36.000 Besuchern kann man jedes Jahr rechnen. Bei Kartenpreisen zwischen 27 und 69 Euro erwirtschaftet man in den 16 Aufführungen 1,4 Millionen Euro. Kostendeckung erreicht man bei einer Auslastung von 97 Prozent. Förderungen gibt es keine, dafür zahlt man über 200.000 Steuern. Im „Weihnachtsland“ Salzburg ist das Adventsingen eine gute Geldmaschine.
Besucher kommen aus 39 Ländern, 43 Prozent aus dem Ausland und davon wieder vierzig Prozent aus Deutschland. Über dreißig Prozent sind Stammgäste und waren schon öfter als vier Mal beim Salzburger Adventsingen.