In der WG geht’s rund
LANDESTHEATER / SCHUBERTSTRASSE
16/03/15 „Schubertstrasse 200“ nennt sich eine Produktion des „Opernstudios Gerard Mortier“ am Landestheater: eine erfrischende Gelegenheit, im Marionettentheater junge Sängerinnen und Sänger kennen zu lernen. Gesprochen wird kaum. Gesungen werden Raritäten aus nie aufgeführten Schubertopern.
Von Gottfried Franz Kasparek
Gesprochen wird so gut wie nichts in dieser Kammeroper, die Dirigent Adrian Kelly und Regisseur Andreas Gergen entwickelt haben. Gesungen wird nach Noten von Franz Schubert, dessen mehr oder weniger fragmentarische Opernversuche „Die Freunde von Salamanka“, „Claudine von Villa Bella“, „Des Teufels Lustschloss“ und „Fernando“ als Steinbruch dienen. Agiert wird im Marionettentheater, dessen vergrößerte Bühne als WG dient. Dass Studierende von heute ihren Liebeskummer mit den Worten „Traurig geht der Geliebte von dannen“ artikulieren, ist unwahrscheinlich – eher passt da schon „Einsam schleich’ ich durch die Zimmer“. Das macht aber nichts, denn es handelt sich um junge Leute, die klassischen Gesang studieren, was das Ganze schon plausibler erscheinen lässt.
Es gibt eine amerikanische Ecke samt Freiheitsstatue, die von der auch als Hobbymalerin zwischen naiver Kunst und Schüttbildern tätigen Sopranistin Emalie Savoy bewohnt wird, und eine türkische, in der unter den gestrengen Blicken eines Herren (ist es Atatürk, der in einer Liebesszene plötzlich zu lächeln beginnt?) ihre Kollegin Ayşe Şenogul haust.
Die Amerikanerin ist groß und blond, die Türkin zart und schwarz, dazu kommt als sehr dem Bier aus dem Kühlschrank zugeneigter Mitbewohner der Bass Ŭgur Okay. Da fehlt also noch ein Mann, der via Laptop gesucht wird, und als tenoraler Schwede – Kristofer Lundin, schon ein „fertiger“ Sänger – alsbald auftaucht, Charme versprühend und locker vom Hocker.
Zwischen ihm und der aparten Türkin entwickelt sich eine Liebesgeschichte, zu deren Höhepunkt die Freiheitsstatue in den morgenländischen Teil wandert. Dazwischen steht ein Esstisch, der einmal als Boot dient, dann wieder zum Pizzaverzehr. Ein wenig schwingt da La Bohème-Atmosphäre mit, nur dass die jungen Leute doch etwas mehr Geld haben. Der Schwede droht auch dem raueren Charme des US-Girls zu erliegen, was zu Eifersucht und Streit, aber nach aufwallenden Leidenschaften schließlich zu zwei glücklichen Paaren führt. Der Biertrinker erhält einen Crashkurs in Eleganz, was ihn für die Amerikanerin als Partner akzeptabel macht.
Adrian Kelly und das klein besetzte Mozarteumorchester musizieren Schuberts wundersame Klänge mit Hingabe und feiner Präzision. Die liedhaften Arien und Duette sind stimmig aneinander gereiht und geben dem Geschehen oft jene Doppelbödigkeit, die in manch nettem Studentenulk sich zu verlieren droht. Dass alles ein bisschen zu viel knallt, liegt nicht an den Ausführenden, sondern an der Akustik des Raums. Gottlob kurze Discomusik-Zuspielungen samt modischen Blendungen des Publikums müssen halt auch sein.
Ansonsten hat Andreas Gergen witzige Komödie mit vielen Gags gemacht. Die WG-Stimmung ist zugespitzt, aber glaubwürdig, ebenso die bunten Kostüme von Alois Dollhäubl. Ayşe Şenogul punktet mit liebenswertem Spiel und lyrischen Soprantönen. Emalie Savoy stellt einen passenden Kontrast dar und scheint auch stimmlich eher ins Fach der Hochdramatischen zu tendieren. Ŭgur Okay ist ein Kerl von Mann und ein achtbarer Basskomiker. Kristofer Lundin möchte man gerne einmal als Operetten-Bonvivant erleben. Alle vier spielen herzerfrischend natürlich und mit körperlichem Einsatz. Produktionen wie diese sind vielleicht nicht große Kunst, aber ein gutes Lernprogramm und professionell genug, um eine vergnügliche Stunde Boulevard-Theater zu genießen. Einmal, wenn die mit roter Farbe beschmierte Amerikanerin jäh aus ihrer Robustheit ins Depressive stürzt und dazu ein Streichquartett „Tod und das Mädchen“ zitiert, entsteht sogar ein berührender Theatermoment.