Mit leichter Hand gekehrt, geworfen, gefangen
WINTERFEST / CIE AKOREACRO
26/11/14 Besen-Jonglage. Klavier-Bändigung. Artisten-Weitwurf. Stimm-Akrobatik… Die Französische Zirkustruppe Cie Akoreacro hat mit ihrer Produktion „Klaxon“ das Winterfest eröffnet – im musikalisch fließenden Wechsel zwischen turbulentem Chaos und zaubrischer Poesie.
Von Heidemarie Klabacher
Der Mann mit dem Besen kommt immer wieder. Da mögen noch Sekunden vorher das Klavier durchgegangen und die Artisten tief geflogen sein: Wenn der Blaumann mit Hut und Besen daherkommt, kehrt Ruhe ein. Und was er da mitführt, das ist mehr als ein Kehrgerät. Ein Zauberbesen muss das sein, der nicht nur ein Eigenleben, sondern auch noch mit Jonglage-Bällchen Geheimgespräche zu führen scheint.
Einmal rundet sich die überlange Besenstange zum Cyr Wheel und es wird klar: Die Erde ist weder eine Kugel, noch eine Scheibe. Ein dünner filigraner Reifen ist alles was, dieser Artist braucht, um einen imaginären lebendigen Kosmos zu schaffen, der die gewöhnliche Welt das Staunen lehrt. Dass dieser Tausendsassa mit der auf seinem Kopf Handstand machenden Artistin auch noch Klavierspielen kann, möchte man ihm beinah abnehmen…
Für einen Running Gag sorgt der kleinste der Artisten des Cie Acoreacro: Er übersetzt die kurzen „russischen“ Ansagen des Zirkusdirektors gern in einen nicht enden wollenden spanischen Wortschwall und muss mit dem Lasso – oder noch drastischeren Methoden - von der Bühne geholt werden. Mit einem männlichen „Gracias“ bedankt er sich dann jedes Mal dafür, zur Besinnung gebracht worden zu sein.
Wenn sich dieser kleine zart gebaute Künstler in Kraftmeierpose aufstellt, als wolle jetzt einmal er die auf dem Trapez wirbelnde Artistin auffangen, kostet das die anderen Burschen nicht einmal einen Lacher. Der Kleine wird selber hoch in die Luft geschleudert und scheint dort zu bleiben – so leicht und locker und schwerelos ist seine Trapeznummer. Der „Fänger“ scheint diesen menschlichen Wirbelwind weniger Halt zu geben, als ihm zusätzlichen Impetus zu verleihen.
All das – Chaos und Poesie – muss man sich mit Musik vorstellten. Fünf Musiker sind für die Klangbilder zuständig, aber auch die Artisten greifen schon mal zu Geige oder Susafon. Das Kontrabass, Cello oder Geige gelegentlich gen Himmel fahren, wundert nicht. Meist kommen die Instrumente aber wieder herunter – oft sogar ein wenig zu weit. Und dann muss eben auf dem Boden liegend mit aufgestützten Ellbogen gegeigt werden.
Die Musik zu „Klaxon“ hat nichts von herkömmlicher Zirkusmusik. Manches hat man kaum raffinierter auf Festivals Zeitgenössischer Musik mit Live-Elektronik gehört, manches klingt, als ob sich Steve Reich und Johann Sebastian Bach mal kurz auf eine Session getroffen hätten, aber auch ganz romantische Klavierballaden sind auszumachen.
Die Musik drängt sich nicht auf, ist aber dennoch viel mehr als „Untermalung“. Eher ist die Musik das antreibende und verbindende Moment, das der Produktion ihre Seele einhaucht.