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Rückkehr ins Paradies

 

SOMMERSZENE / DORIS UHLICH / MORE THAN NAKED

04/07/14 Waren Adam und Eva fettleibig? Hatte Eva Schwangerschaftsstreifen? Und folgte Adam dem damaligen Trend zur Brusthaarrasur? So wenig wie wir – trotz intensivem Bibelstudiums – diese Fragen beantworten können, so wenig wissen wir auch über die hippen Markenkleider nach der fragwürdigen Vertreibung aus dem Paradies.

Von Stefan Reitbauer

Doris Uhlich erarbeitete für die Sommerszene eine neue Version ihrer Erfolgsproduktion „more than naked“. Im Republic bringen zwanzig Tänzerinnen und Tänzer des Ausbildungszentrums SEAD ihre Körper und das Publikum zum Schwingen.

Ist der Mensch nackt, gebe es keine Zwänge und Markenticks. Lässt man sein Fleisch wackeln und schwabbeln, entledige man sich starrer Verhaltensregeln. Man sprenge ein Korsett, so Doris Uhlich. Die studierte Pädagogin für zeitgenössischen Tanz erarbeitet seit 2006 eigene Projekte. Ausgezeichnet mit Preisen und mit Lobeshymnen in der Szene überschüttet, sprengt sie auf tatsächlich fühlbar lustvolle Weise gängige Formate und lässt neue Körperbilder entstehen.

Um 20 Minuten nach 20 Uhr (20 Minuten zu spät) stürmen 20 nackte Menschen die Tanzfläche im ausverkauften Saal des Republic. Man bemerkt sofort, dass man sich an diese Situation erst mal gewöhnen muss, eine Akklimatisation ist dringend von Nöten. Doris Uhlich am DJ-Pult lässt zum ersten Mal die Bässe vibrieren, rhythmisch eingängige Elektro-Musik schallt wummernd aus den Boxen. Langsam beginnen die starren Körper ihre Schwingungen aufzunehmen und sich im Rhythmus zu bewegen, zu schütteln und herum zu werfen. Den Tänzerinnen und Tänzern des Ausbildungszentrums SEAD ist in keiner Weise anzumerken, dass sie in ihrer Blöße ein Gefühl der Scham oder Schutzlosigkeit empfinden könnten. Wie selbstverständlich bewegen sie sich in scheinbar tranceartigen Sphären. Die Akklimatisation schreitet voran, das Gefühl, ein voyeuristischer Beobachter zu sein (man hat allerdings Eintritt bezahlt), lässt langsam nach.

Die Akteure lassen ihr Fett und ihre Muskeln schwabbeln. Sie helfen sich dabei gegenseitig. Wangen, Pobacken, Brüste, Oberschenkel, Fußgelenke, Oberarme – alles vibriert und ist in Bewegung. Laute Barockmusik ertönt. Drei Minuten starr auf einer Linie stehend, wendet man dem Publikum die Rückseite zugewandt.

Nun geht es nicht mehr nur um optische Inszenierung, der akustische Gehalt der Fetttanztechnik wird hörbar. Körper klatschen aneinander. Aufeinander liegend werden Bäuche und Brüste wuchtig zusammengeführt. Unverdeckt wird sichtbar und hörbar, was sich beim Tanzen alles bewegen kann und wie das in der völligen Hüllenlosigkeit klingen kann.

Doris Uhlich bezeichnet ihr Stück dezidiert als politisch. Einerseits drückt sie damit ihre Vorstellung vom Körper aus: „Der Mensch ist ein wandelndes Körperarchiv. Du lagerst die Welt nicht nur in deinem Denken ein, sondern auch im Körper. In dem Moment, wo du beginnst, diese Einlagerungen in Bewegung zu bringen und weich werden zu lassen, bringst du auch die Gegenwart in Bewegung.“ Andererseits, wie anfangs erwähnt, umgeht ihre Inszenierung die Frage nach allgegenwärtigen Dick-Dünn-Fragen und Körper- und Markenfetischen. „In dem Moment, wo ich mich ausziehe, entledige ich mich auch bestimmter Kleidungsvorschriften.“

In der Mitte des Abends hat auch Doris Uhlich ihren Kurzauftritt. Am DJ-Pult sitzend sieht man nur ihr kurzes silbernes Jäckchen. Wenn sie zum Tanz schreitet bemerkt man, dass das auch ihr einziges Kleidungsstück ist. Man nimmt es gelassen zur Kenntnis. Zehn Sekunden später ist auch das Jäckchen weg.

Nach einer Stunde unglaublich hoher Intensität und schweißtreibender Körperarbeit tobt das Publikum und jubelt den Tänzerinnen und Tänzern zu. Schwer zu erklären, warum man sich beim Verlassen des Saals über die vielen angezogenen Menschen auf der Straße wundert. Man muss es selbst erlebt haben…
Zweite Vorstellung morgen Samstag (5.7.) um 20 Uhr im Republic – daran schließt sich „Die letzte Nacht“ an, ein öffentliches Tanzen unter DJ-Anleitung von Doris Uhlich, mit mehr oder weniger entkleidetem Publikum als Mitwirkende.
„Sound of Silence“ Jan Plewkas Neuinterpretation legendärer Sdongs des Pop-Duos Simon & Garfunkel sind heute Freitag (4.7.) um20 Uhr im Republic zu erleben.Ebenfalls heute Freitag (4.7.) ist um 22 Uhr im Hof des Bürgerspitals noch „Le Cargo“ von dem kongolesischen Choreographen und Tänzer Faustin Linyekula zu sehen. szene-salzburg.net/de/sommerszene

Bilder: Szene Salzburg / Bernhard Müller

 

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