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LANDESTHEATER / 18 TAGE
17/03/13 Es war eine beeindruckende Gesamtleistung von Chor des Landestheaters, Solisten, Instrumentalensemble des Mozarteumorchesters unter Peter Ewald, von Ausstattung, Regie und Statisterie: Im Marionettentheater – genannt Bühne 24 – hatte „18 Tage… Ein musikalisch-dramtatisches Gedicht in sieben Bildern“ von Hossam Mahmoud seine bejubelte Premiere.
Von Heidemarie Klabacher
Er hat sich im Hintergrund gehalten, ist nicht auf die Bühne gegangen - obwohl einer der Musiker während der Applausrunden irgendwann auch auf den Komponisten gedeutet und diesem den gebührenden Anteil am Beifall zugeteilt hat: Hossam Mahmoud hat einmal mehr eindrückliche Musik geschrieben, die einem klangsinnlichen zeitgenössischen Musikstil zuzuordnen ist, der seinen besonderen Reiz aus dem subtilen Verweben westlicher und arabisch-orientalischer Musikelemente gewinnt. Das ist bei Hossam Mahmoud immer weit entfernt von klangmalerischer Folklore um des Effektes willen. Man kennt Mahmoud in Salzburg auch als Solisten auf der arabischen Laute Oud, zu der er auch in „18 Tage...“ persönlich greift: Ein Intermezzo von Oud und Geige zusammen mit Frank Stadler (ein gut aufeinander eingespieltes Duo, das man auch aus Konzerten etwa der Paul Hofhaymer Gesellschaft kennt) gehört zu den eindrücklichsten Passagen in der Musik.
Ein kleines Ensemble mit Expertinnen und Experten für Zeitgenössisches aus den Reihen des Mozarteumorchesters spielt nicht nur am Rande des Geschehens seinen Part, immer wieder mischen sich die Instrumentalisten auch in das Geschehen auf der Bühne ein. Der Sound der tiefen Bläser vermittelt etwa eindrücklich Dramatik und drohende Gefahr. Der Saal des Marionettentheaters ist leer geräumt, an den Schmalseiten sitzt das Publikum, in der Mitte, wie im Boxring, wird gespielt. Ein bewegliches Podium, das als Verwundeten-Trage ebenso dient, wie als Rednertribühne, ist auch schon fast die ganze Ausstattung von Eva Musil. Effekt durch Beschränkung.
Eine besondere Verbeugung gilt dem Chor des Landestheater, Einstudierung Stefan Müller, der seinen Part so souverän gestaltete, als ob zeitgenössische Chormusik auf der Tagesordnung im Landestheater wäre. Zusammen mit der Statisterie spielte der Chor auch darstellerisch überzeugend die Hauptrolle - seien es friedliche Aufständische oder bewaffnete Sondereinheiten des Militärs.
Der Komponist Hossam Mahmoud hat auch den Text zu seiner Oper geschrieben, bzw. zusammengestellt: „18 Tage...“ nimmt die Schicksale mehrerer an der ägyptischen Revolution von 2011 beteiligter Menschen in den Blick. Der Volksaufstand, der am 25. Jänner 2011 in den großen Städten Ägyptens seinen Anfang nahm, steht im Zentrum des Geschehens, Hintergrund ist die wachsende Empörung des ägyptischen Volkes über das totalitäre Regime. Wie in den Nachrichten kulminiert das Geschehen im „Tag des Zornes“.
Mahmoud will zeigen, wie solch dramatische Ereignisse das Leben von Individuen beeinflussen. Er zeigt, was passiert, wenn für die Frau die Sicherheit von Ehemann und Familie wichtiger sind, als das Schicksal des Gemeinwesens: „Es geht uns doch gut. Was verbündest Du dich mit den anderen, denen es nicht gut geht?“ Dass eine Ehe, in die eine solche Kluft gesprengt wurde, nicht wieder zu kitten ist, ist klar. Besser geht es da schon dem Vater, der nach anfänglichem Zögern doch zu den Aufständischen auf „den Platz“ geht. Karolina Picková und Hubert Wild als Ehepaar Shadh und Ashraf, Franz Supper und Tamara Gura als Vater und Tochter boten beeindruckende sängerische Leistungen.
Eine Revolution beeinflusst nicht nur die Geschichte des gesamten Volkes, sie beeinflusst auch die Geschichte des Lebens jedes und jeder Einzelnen, die zu diesem Volk gehören: Das zu vermitteln ist Mahmouds Anliegen und er betont, er verwende in seinem Libretto ausschließlich „authentische Dialoge einer tatsächlichen Revolution“. Die 1:1 Umsetzung hoch auffahrender Emotionen mag Authentizität bewirken wollen, ohne den Filter künstlerischer Distanz und sprachlicher Brechung und Verfremdung wird Plakativität aber unweigerlich mit-bewirkt. „Der Platz erregt sich mit uns. Wir nehmen nicht unsere Abnahme, Zunahme, Reduzierung oder Ergänzung wahr! Als wir das Donnern der echten Kugeln auf dem Platz hören, so glaubten wir, dass wir alles sterben würden.“ So gestelzt klingt es in „18 Tage…“ nicht selten.
Dennoch folgt man der Aufführung in der Regie von Agnessa Nefjodov mit zunehmender Aufmerksamkeit, ja Spannung: Mit einfachen Mitteln - etwa mit einigen wenigen Videoprojektionen oder mit effektvollen Licht- und Schattenwirkungen, die von stilisierten Kämpfen im Vorraum durch die geöffneten Türen in den Saal herein fallen – wird Atmosphäre spürbar, greifbar.
Der in Kairo geborene Komponist und Instrumentalist Hossam Mahmoud lebt seit 1990 in Österreich. Seine Kompositionen wurden u. a. vom stART Festival in Salzburg, beim Festival d’Automne in Paris und bei den Klangspuren in Schwaz, sowie bei der Salzburger Biennale 2009 uraufgeführt. Bisher schuf er drei Bühnenwerke, die sowohl in der Kollegienkirche in Salzburg als auch an den Opernhäusern von Kairo und Alexandria gespielt wurden. „18 Tage...“ ist ein Auftragswerk des Salzburger Landestheaters.