Klassenzimmer und Klimaschutz
LANDESTHEATER / DAS FLIEGENDE KLASSENZIMMER
19/01/23 Aus Erich Kästners Roman Das fliegende Klassenzimmer wurde längst ein Theaterstück, nun auch ein Musical. Die Zustände in den Klassen haben sich gar so sehr verändert. Ältere denken vergnügt eigene Schulstreiche zurück, Jüngere erleben das täglich hautnah. – Gute Unterhaltung für Alt und Jung!
Von Gottfried Franz Kasparek
Die Änderungen betreffen natürlich die Tatsache, dass die Geschichte anno 1933 in einem Buben-Internat spielt, Auf der Bühne im Landestheater ist es ein gemischtes. Und das ist gut so. Ein bei den Kindern sehr beliebter, in der Nähe der Schule hausender und in Kneipen Klavier spielender Typ (mehr soll hier nicht verraten werden) heißt bei Kästner „Der Nichtraucher“, weil er einem für solche ausgewiesenen ausrangierten Eisenbahnwaggon haust. Der Nichtraucher heißt immer noch so, aber im Gegensatz zum Original ist er jetzt in der Tat ein solcher. Auch gut, solange es sich dezidiert um eine Bearbeitung handelt. Die häufigen Raufhändel im Buch werden auf allerlei Imponiergehabe und – eine wie alle Tänze und Pantomimen von Josef Vesely und Kate Watson ansprechend choreographierte – Schneeballschlacht reduziert.
Das Weihnachtsmärchen, das von den Kindern geprobt wird, ist nun eine Art um den Globus „fliegende“ Klimaschutz-Show. Wunderbar. Das ist ja ein sehr sehr berechtigtes Anliegen der mitwirkenden junge Leute. Da tritt zum Beispiel ein putziger vereinsamter Eisbär auf, dem die Lebensgrundlage wegschmilzt. Da ein wenig Geschichtsunterricht immer noch wichtig ist, darf ein junger alter Römer samt Mutter vor dem Vesuv-Ausbruch fliehen. Und auch Pharao Ramses II., offenbar an Knaben interessiert, hat einen etwas kuriosen Auftritt. Dann erscheint gar noch ein lieber Bilderbuchgott und tanzt, bevor er sich als Vertreter einer in Wahrheit im Himmel thronenden Frau entpuppt. Mitunter droht in solchen Szenen der am Theater störende erhobene Zeigefinger – der hat ja eh in der Schule schon seinen Platz.
Insgesamt hat Marco Dott, der auch in der bunten Ausstattung von Manuela Weilguni flott und frech inszeniert, gute Arbeit geleistet. Sowohl die Führung des meist dem Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor“ entstammenden Ensembles betriffend, als auch die geschickte Textfassung.
Erich Kästner, waschechter Sachse und später Wahl-Münchner, sind Ausdrücke wie „Gottchen“ zuzutrauen, aber nicht ein grammatikalisches Unding wie „an Weihnachten“ (woher immer diese seuchenhaft auftretende Formulierung kommen mag). Der Zuschauerraum bei Premiere und Uraufführung am Donnestag (19.1.) vormittags war mit Schulklassen gefüllt. Wäre schön, wenn sich die – sehr wohl und gottlob im Publikum noch vernehmbare salzburgisch-bayrische Sprache – „a weng“ auch auf der Bühne wiederfände.
Auf dieser agiert eine wahrhaft herzerfrischende, im Spiel und im Gesang hochtalentierte Truppe. Es hieße jetzt freilich die Premierenbesetzung (es gibt eine alternative) zu bevorzugen, würde man Namen nennen. Darum: Großer Applaus für alle Mädchen und Buben! In den Erwachsenenrollen überzeugen ohne Mätzchen Alexander Sichel (Der Nichtraucher), Thomas Wegscheider (Erzieher und Erzähler), die hörbar mit klassischer Gesangsausbildung versehene Katrin Heles in den Rollen antiker und moderner Mütter und Edi Jäger als sehr passender Schuldirektor.
Und die Musik? Von einer aus allseits beliebten Salzburger Jazzkreisen formierten namenlosen Band perfekt musiziert und von Manuel Lauerer mit Temperament dirigiert? Katrin Schweiger kommt aus Bayern und ist am Landestheater die Hauskomponistin für die Sparten Schauspiel und Musical. Sie versteht ihr Handwerk, befindet sich zwischen gekonnten Klangmalereien in manchen „klassisch“ angehauchten Zwischenspielen und wirklich mitreißenden Rap-Nummern in ihrem Element.
Und sie verfügt merkbar über das, was man früher „Theaterpranke“ nannte. Ob sie auch die Gabe der mehr als bei den Ohren rein- und rausgehenden Melodie besitzt? Es lässt sich nach diesem einem Stück nicht sagen. Es sind ja auch nicht alle Musicals von Cole Porter Hitparaden wie Kiss me Kate. Auf jeden Fall erfreut Katrin Schweiger mit sehr gut gemachter, rhythmisch prägnanter Musik und ist sicher ein Gewinn für das Haus.
Die Kinder verfolgten das Geschehen erfreulich konzentriert. Dass in solchen, in guter alter Weise verfassten, „Nummernstücken“ Zwischenapplaus durchaus erwünscht ist, wussten sie wohl nicht. Etliche der Leute auf der Bühne hätten ihn verdient. Am Ende gab es dann heftigen, aber recht kurzen Applaus und Bravi für alle. Leider kamen die Komponistin und das Regieteam nicht mehr dran.
Das fliegende Klassenzimmer – Aufführungen bis 29. Mai – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: LT / Tobias Witzgal