asdf
 

Jonglierkeule oder Musikinstrument?

WINTERFEST / COMPAGNIA NANDO E MAILA

22/12/21 Schon zum Empfang macht eine Banda mit italienischen Schlagern Stimmung für das sympathische Familienunternehmen Compagnia Nando e Maila. Die Italiener waren für drei Abende Winterfest Einspringer, da der Very Little Circus (Wakouwa Teatro) aus der Schweiz nicht rechtzeitig anreisen konnte.

Von Erhard Petzel

Gewiss viel Veranstalter-Stress also angesichts der aktuellen Situation, von der Belastung der Künstler ganz zu schweigen. So gab's also als Spontan-Intermezzo einen Event aus mutierten Pauken und Posaunen. Eine poetische Melange von virtuoser Clownerie und halsbrecherischer Akrobatik durch Musik zwischen Lyrik und schalkhaftem Groove – das ist die Compagnia Nando e Maila und Tochter Mary Lou mit Sonata per Tubi. Sie treten dieser Tage im Zelt im Volksgarten auf.

Nando e Maila sind geschickt aufgestellt mit einem so verblüffenden wie bezaubernden Programm. Die Grenzen zwischen Akrobatik, Aktionen und Musikdurchflutung sind völlig aufgelöst, eins entsteht aus dem anderen und durch es. Das ovale Bühnenpodest selbst wird als Resonator zum Instrument.

Zwei mal eröffnet das leicht verknitterte Anfangsmotiv von Strauss’ Zarathustra die clownesken Auftritte, der Schlussapplaus erfolgt zum Donauwalzer. Sonst tönt alles live. Zunächst eine unernste Wanderung durch das Ikonenfeld von Rossini bis zu den üblichen Rock-Klassikern auf Bass-Monochorden, aus Abflussrohren zusammengesteckt und auf alle möglichen und unmöglichen Arten traktiert, großflächig quasi klassisch mit Bogen. Man weiß schon, dass die Luftsäule eines Rohres klanglich viel hergibt, was hier aber in Melodik, Begleitung und percussiv passiert, ist erstaunlich. Urwitzig, wie Handventilatoren als Tremolo-Maschinen für die Bach-Aria funktionieren und sogar als Maultrommel-Ersatz im Mundraum Klang schaffend werden. Dazu ganz ungenierte und mit ironischem Effekt eingesetzte Volkalinterventionen.

Dann nimmt sich das Paar Beethovens Ode an die Freude vor mit Doppelbogen als Gag. Nachdem das Rohr eines Monochords Junge ausgespuckt hat, kommt es zur Boomwalker-Aktion mit Publikum. Jetzt speit die Bühne die 14-jährige Tochter mit Kinder-Tube aus. Auf ihren Wunsch arbeitet man sich an Brahms’ Wiegenlied und untereinander ab. Denn ab jetzt spielt es Familie mit ihren – immer mit augenzwinkernder Liebenswürdigkeit gewürzten – Abgründen. Akrobatik als Musikuntergrund nimmt fulminante Fahrt auf. Diabolo-Stäbe und -Schnüre werden zum Bounce-Ereignis, bevor atemberaubend mit den Sanduhrkörpern jongliert wird, die selbst wieder als Klangkörper und Trommeln fungieren.

Wer gerne mit Luftballons quietscht, findet hier die Meisterklasse. Nachdem dem Familienvater – quasi kastriert – der abgeschnittene Stutzen verbleibt, kommt der über den Kopf einer mit Grifflöchern präparierten Jonglierkeule, wonach darauf als Schalmei das Thema der Rhapsody in Blue intoniert wird. Mit zwei Schalmeien-Keulen im Mund reicht es immerhin zu Organum ähnlichen Tönen, wozu die beiden Damen Akrobatik vom Feinsten in Ballett-Qualität abführen. Im Terzett singend eine akrobatische Menage-a-trois. Wenn Over the Rainbow als Keulenduett erklingt, bezaubert die Tochter mit ihrer überragenden Körperkunst.

So außergewöhnlich das bisher schon war, die Stange aus langen Rohren setzt noch eines drauf. Mit dem resonierenden Podest lassen sich über Körperarbeit Beat- und Reibe-Effekte erzielen. Dazu Duos auf Violinen, poetische Clownerien über fingierte Tonbälle, und immer – ob lyrisch oder perkussiv – die Notwendigkeit zur synchronen Komplexität von Choreografie und eigener Tonerzeugung durch Akrobatik. Dazu Schocker durch gespielten Absturz und Gags wie Doppelgeigenspiel und Ausreizen der virtuosen Spezialqualitäten durch die Mitglieder der Familie. Vielfältigkeit, Musikalität, Körpervirtuosität und Komik der kleinen Truppe sind so umwerfend wie liebenswürdig. Eine beglückende Begegnung, die mit stehender Begeisterung quittiert wurde.

Die Compagnia Nando e Maila tritt noch heute Mittwoch (22.12.) und am Donnerstag (23.12.) im Zirkuszelt im Volksgarten auf, anstelle des Wakouwa Teatro. Die Schweizer kommen mit ein wenig Verspätung nach Salzburg und laden ab 27.12. in ihren „Very Little Circus“ – www.winterfest.at
Bilder: Winterfest / Kolarik

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014