Briefträger der Lüfte
HINTERGRUND / JACQUES BREL
06/02/20 Seine Auftritte waren expressiv und emotional. Seine Biographie ist voller Kurven und Sprünge und Ausrutscher. Das belgische Zuhause tauschte er gegen das fremde Pariser Leben: Jacques Brel gilt als der französische Chansonnier par excellence, obwohl er aus Belgien stammte.
Von Heidemarie Klabacher
„Ich finde besonders spannend, dass Brel eigentlich ein singender Schauspieler war. Er wählte die Form des Chansons, um Geschichten zu erzählen. Außerdem ist es natürlich eine sehr intensive Musik, die Brel interlassen hat. Menschlich interessieren mich vor allem seine Eigenheiten, denn er war ein Charakter mit Ecken und Kanten, auch mit durchaus unangepassten Ansichten“, sagt Marco Dott.
Er gestaltet seinen AbendNe me quitte pas. Dott singt Brel auf Deutsch, Französisch und Flämisch. „Ich wollte natürlich gern die Musikalität der Chansons hervorheben, was nur in der Originalsprache wirklich gelingen kann“, sagt der Schauspieler und Sänger. Er wolle aber auch dem doch meist deutschsprachigen Publikum die Chance geben, die „Geschichten und die Poesie zu erleben“.
Dem großen Chansonnier fühle er sich verbunden, so Dott: „Brel ist jemand, der etwas vom Leben will und damit auch bewusst polarisiert. Er singt oft kritisch über die Menschen, die da vor ihm sitzen und ihn feiern.“ Brel habe aber auch „ein großes Pflichtgefühl als Performer“. Eines seiner Lieblingszitate sei, so Dott, Brels Bilanz: „Wenn ich das weiterhin mache, dann bekomme ich bald mehr auf der Bühne, als ich geben kann.“ Mit dieser Integrität und Konsequenz könne er sich, so Dott, identifizieren.
Diese Radikalität spiegelt sich tatsächlich auch in Brels Biographie. Jacques Brel (1929–1978) verließ in jungen Jahren seine Familie, und mit ihr eine sichere Zukunft als Kartonagen-Fabrikant, hauste ärmlich in Paris, kämpfte sich singend durch verschiedenste Clubs, schrieb Lieder voller Wut und Verzweiflung – zunächst für andere Interpreten. Schließlich stand irgendwann selber mit der Gitarre auf der Bühne, ergriff eine einmalige Chance, ein großes Publikum zu erreichen. Geboren, wie im Klische, quasi über nacht ist ein Star, der in den großen Konzerthallen der Welt zu Hause ist. Genauso überraschend, wie er aus dem Nichts aufgetaucht ist, verlässt Brel das Podium wieder und zieht sich zurück auf die polynesische Insel Hira Oa. Dort wird er Briefträger in der Luft und als Postflieger ein nützliches Mitglied der Gesellschafft.
Brel habe, so Marco Dott, die Gesellschaft von außen betrachtet, um sie umso besser wahrzunehmen und sezzieren zu können: „Heimat ist ihm so nah, dass er viel Abstand braucht.“ Von seinem bewegten Leben erzählen auch die Momentaufnahmen seiner Lieder. Minidramen entfalten die großen Themen – Einsamkeit und Bigotterie, Scheinheiligkeit und Elend. Seine Heldinnen und Helden sind Matrosen und Huren, Männer und Frauen. Liebende. Der große Sänger habe sein Leben inszeniert wie ein Regisseur: „Und immer wieder wusste sich der Mensch vor dem Star zu retten. Brel war begeisterungsfähig und voller Zweifel, großzügig und unerträglich. Er war ein Weltmeister im Verbreiten von Halbwahrheiten und platten Lügen, aber er war zu aufrichtig, um arglistig zu sein.„ Er wolle nicht betrügen, habe er immer gesagt.
Es ist alos nicht nur Flair von der Seine, das Marco Dott an Salzach bringen will. Marco Dott, Mitglied im Ensemble des Landestheaters, verknüpft mit dem Abend Ne me quitte pas. Brels Lieder mit der Biographie des großen Chansonniers. Premiere ist heute Donnerstag (6.2.) in den Kammerspielen.Marco Dott, der am Salzburger Landestheater als Schauspieler und Regisseur sowohl im Schauspiel wie auch immer wieder im Musiktheater arbeitet, erinnert an einen musikalischen und engagierten Künstler, mit Ecken und scharfen Kanten – von erstaunlicher Aktualität: „Mit einigen seiner Haltungen, seiner Frauenfeindlichkeit und einer Homophobie zum Beispiel, wäre er natürlich heute in Schwierigkeiten geraten und ich finde es auch wichtig, das zu artikulieren. Gesellschaftskritisch empfinde ich seine Texte jedoch immer noch als hochaktuell. Seine entschiedene Kritik am Nationalismus ist zum Beispiel etwas, an das wir heute wieder anknüpfen können.