Das Herz über die Bühne schmeißen
SALZBURGER ADVENTSINGEN
27/11/19 „Zum sechzigsten Mal findet das Salzburger Adventsingen auf dieser Bühne statt“, so der künstlerische Leiter Hans Köhl heute Mittwoch (27.11.) beim Pressegespräch zur diesjährigen Produktion Der Sterngucker. Weil ja viele Beteiligte seit Jahrzehnten dabei sind, war so nebenbei von grauen Haaren die Rede.
Von Reinhard Kriechbaum
Das lässt Hellmut Hölzl, der Kostümbildner mit dem untrüglichen Blick für Farbnuancen, so nicht auf seinem und der anderen Köpfe sitzen: „Platin- oder altersblond heißt das, nicht ergraut.“ Welcher Farbton auch immer: Hölzl ist seit 32 Jahren für die Gewänder zuständig. Um jenes der Maria wird ein Geheimnis gemacht fast wie um jenes der Buhlschaft, aber es wird in den Medien deutlich weniger darüber spekuliert. Im Spiel heuer sieht Hellmut Hölzl Maria und Josef „als ein junges, spritziges Pärchen“ und er verspricht ein bunteres Outfit für die beiden, wogegen Base Elisabeth „die Altmodische, die Erdige“ sei.
Es sind eben nicht nur Altgediente dabei. Für Daniela Meschtscherjakov ist es sogar ein Neustart als Regisseurin. Sie habe den Wunsch geäußert, „raus aus dem Altmodischen“, so jedenfalls Hellmut Hölzl. „Das Publikum wird ja auch jünger.“ Das bestätigt Adventsingen-Leiter Hans Köhl gegenüber dem DrehPunktKultur, Erhebungen der Wirtschaftskammer im Vorjahr hätten das ergeben.
Die Regisseurin ist dem hiesigen Theaterpublikum noch unter ihrem Jugendnamen Daniela Gnojke ein Begriff. Im Schauspielhaus Salzburg hat sie ihre Ausbildung erhalten. Sie hat auch schon den Jedermann auf der Festung inszeniert. Da ist es ideologisch gar nicht so weit zum Adventsingen: „Das Herz über die Bühne schmeißen“, sagt sie salopp.
Bernhard Teufl steht heuer der 200. Auftritt als Josef bevor, natürlich wieder an der Seite von Simone Vierlinger als Maria, die erst nachzählen müsste, wie oft Mal der Heilige Geist sie auf dieser Bühne beglückt hat. Tatsache: In drei Adventsingen-Saisonen hatte sie tatsächlich einen Babybauch, erzählt sie augenzwinkernd.
Bernhard Teufl, der Langzeit-Nährvater des Gottessohns, denkt anlässlich seines Rollenjubiläums natürlich nach über das Was und Wie – und auch darüber, warum das Adventsingen im Großen Festspielhaus jedes Jahr wieder sechzehn Mal (à 2200 Menschen) ausverkauft ist. „Es werden Geschichten erzählt, die die Menschen berühren“, sinniert er. „Da muss man nicht an Gott glauben, es geht ja um den Menschen.“
Diese Menschen hatten heuer erstmals die Möglichkeit zu Print-at-home-Tickets, berichtet Stefan Sperr, der fürs Wirtschaftliche zuständig ist. Ausverkauft sei man zwar seit Wochen, „aber Kommissionskarten gibt es fast immer“, es lohne also der Blick auf die Homepage.
Vor dreißig Jahren, 1989, hat Klemens Vereno das erste Mal die Musik für ein szenisches Adventsingen-Oratorium komponiert („Sonst bliebe es ein Traum“). Fünfzehn Mal hat er seither die kompoositorische Arbeit, die künstlerische Fassung der Volksmusik, verantwortet. „Es ist eine Herausforderung, sich in einen imaginären Komponisten aus einer anderen Zeit zu versetzen“, sagt er und lobt zugleich die Professsionalität der Ausführenden. „Man kann auch fordernde Partien schreiben.“ Herbert Böck, auch schon lange dabei am Dirigentenpult, schlägt in dieselbe Kerbe: „Das Tolle an der Arbeit hier ist, dass man immer versucht, über Grenzen zu gehen.“ Auch der Chor „wächst jedes Jahr über sich hinaus“.
Vor zwanzig Jahren, kurz vor Weihnachten 1999, ist Tobias Reiser gestorben. Er hat die Erscheinungsform des Adventsingens – das Zusammenführen von Hirtenspiel, biblischer Erzählung und Rahmenhandlung mit jeweils anderen Akzentuierungen – nachhaltig geprägt. Bis heute setzt man auf diese Form des Szenischen Oratoriums, in das die volksmusikalischen Nummern eingewoben sind. 55 Programmpunkte sind es diesmal in den eindreiviertel Stunden, an deren Ende aus Tradition der von allen gesungene Andachtsjodler steht.