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Romantisch nüchtern betrachtet

LANDESTHEATER / HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN

25/09/17 Mit nüchterner Klarheit blickt das Landestheater auf trunkene Romantik – und öffnet seinem Publikum einen reizvollen Zugang zu „Hoffmanns Erzählungen“. Franz Supper in der Titelrolle überzeugt als Dichter Hoffmann, der für sein Werk auf die Liebe verzichtet.

Von Heidemarie Klabacher

Theaterkantinen gehören – noch vor Bahnhofs- und Abflughallen – zu den tristeren Orten auf dieser Welt. In einer besonders resopal-braunen Theaterkantine spielt im Landestheater Jacques Offenbachs opulente Oper „Hoffmanns Erzählungen“.

Der Plot basiert auf Motiven aus mehreren phantastischen Erzählungen des Dichters E.T.A. Hoffmann: Auf der Bühne wird Don Giovanni geprobt, während in der Kantine der Hausdichter um die Starsopranistin schmachtet. Die geheimnisvolle Muse Niklas heilt Hoffmann von der Liebeskrankheit, indem sie ihm mit drei besonders aussichtlosen Liebesgeschichten Stoff zur literarischen Verwertung und zum dichterischen Höhenflug beschert.

Die musikalische Leitung am Pult des Mozarteumorchesters hat Adrian Kelly, der neue Opernchef am Landestheater. Sein Zugang passt zur Ausstattung: Geradlinig, schnörkellos. Tatsächlich wünscht man sich da und dort ein wenig mehr Freiraum zum Atmen und Gestalten für die Sängerinnen und Sänger.

Alexandra Liedtke führt – und szenisch passt solche Stringenz natürlich gut – ebenso schnörkellos Regie im Bühnenbild von Falko Herold. Die Kostüme von Johanna Lakner „spielen“ gekonnt mit Zitaten aus verschiedenen Jahrhundert und sorgen da und dort für wohltuende gelbe Farbtupfer. Phantastischstes Ausstattungsstück: Die todkranke Antonia hüllt und krallt sich in eine Wolldecke, die auf meterlangen Stricknadeln von mindestens zehn Zentimetern Durchmesser gestrickt worden sein muss.

Diese graue Wolldecke markiert Höhepunkt und Schluss: Der „Antonia-Akt“ steht in der Landestheater-Fassung am Ende der Episodenoper. Anne-Fleur Werner gibt die todkranke Sängerin, die vom diabolischen Doktor Mirakel zum Singen und damit zu einer letzten tödlichem Anstrengung verführt wird: Man sieht sich plötzlich ins Finale einer  anderen „großen“ Oper versetzt: Es könnte auch eine Mimi sein, die ihre letzten verzweifelten Atemzüge tut, so intensiv und betörend gestaltet Anne-Fleur Werner sängerisch und darstellerisch ihre Partie.

Gleich an dieser Stelle: Rosen für den Titelhelden! Franz Supper verleiht dem Dichter Hoffmann darstellerisch liebenswürdig naive Gestalt und steht sängerisch souverän über allen Ansprüchen der fordernden Partie. Man weiß aus vielen Begegnungen, dass die elegante Stimme Franz Supers über unzählige weitere warme Farben und technisch über deutlich entspannter gestaltete Linien verfügt. Wenn im Zuge der Folgeaufführungen vom Pult her die Spannung ein wenig nachlässt, wird Suppers Hoffmann erst so richtig zu seiner verdienten Wirkung kommen. Eine Freude jedenfalls, den versierten und verdienstvollen Sänger in einer wirklich großen „romantischen“ Rolle zu erleben.

Angela Davis als Kurtisane, die dem naiven Hoffmann im Auftrag des (ebenfalls) diabolischen Dapertutto das Spiegelbild stehlen soll (die Motive sind nun mal aus der Hochromanik), überzeugte mit stimmlicher Präsenz und reichem Timbre. Doch die Partie der Giulietta ist nun einmal die realistischste und damit die farbloseste in diesem phantastischen Kontext. Daran ändert auch die berühmte „Barkarole“ nichts. Auch diesem Schlager wird vom Pult her die „Romantik“ ziemlich verweigert: Tendenziell treibt Adrian Kelly die Sänger vor sich her.

Am sängerfreundlichsten erwischt es die hervorragende Sopranisten Tamara Ivaniš, die die wenigen Worte der Puppe Olympia im originalem Französisch singen darf: Ihre Bravour-Arie gelingt denn auch bravourös. Als Puppe agiert sie gekonnt „mechanisch“ mit erstaunlich frechem Witz.

Hier ist der Ort, die Gretchenfrage zu stellen: Warum, um alles in der Welt, wird diese hervorragende – rundum gelungene und überzeugende Produktion – in sperrigem, sich der Musik borstig entgegensträubendem Deutsch gesungen?

Jedenfalls ist auch im Olympia-Akt der der diabolische Typ – diesfalls Coppelius genannt - mit von der Partie: George Humphreys gestaltet die geheimnisvollen Bösewichte mit reichem Basstimbre. Auch er wird im Laufe der zahlreichen Aufführungen stimmlich und darstellerisch noch lockerer werden und weitere Faceteten einbringen.

Keine Aufwärmphase braucht Carmen Seibel: In warmen dunklen Farben reich timbriert singt sie die Partie der Muse Niklas, die den Titelhelden immer wieder auf seine wahre Berufung, die Dichterei, verweist. Eine souveräne überzeugende Leistung, ein Gewinn für jedes Ensemble!

Alle kleineren Partien sind, teils mit Sängern aus dem bestens disponierten Chor des Landestheaters, stimmlich hervorragend und typengerecht besetzt. Mit Alexander Hüttner sei, stellvertretend für alle, ein Liebling genannt.

Hoffmanns Erzählungen – Aufführungen im Landestheater bis 13. Jänner 2018 – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater /Anna-Maria Löffelberger

 

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