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MOZARTWOCHE / WIENER PHILHARMONIKER / LYNIV
02/02/25 Mit den ganzen Spezial-Ensembles rundum haben es die Wiener Philharmoniker gar nicht immer leicht, einen wirklich eigenen und heraussragenden Beitrag zur Mozart-Interpretation bei der Mozartwoche zu leisten. KV 218 und KV 183 unter der Leitung von Oksana Lyniv fielen in eine Sternstunde.
Von Heidemarie Klabacher
Es war das mit Spannung erwartete Debüt der ukrainischen Dirigentin Oksana Lyniv am Pult der Wiener Philharmoniker. Auf dem Programm am Samstag (1.2.) im Großen Festspielhaus standen Mozart, Händel und – eine Petitesse aber wohl keine Trouvaille für's künftige Repertoire – Dimitri Bortniansky: Der in der heutigen Ukraine geborene und in Italien ausgebildete Komponist ist für seine Vertonung der Gesänge der russisch-orthodoxen Liturgie für St. Petersburg in Erinnerung geblieben. Die Wiener Philharmoniker unter Oksana Lyniv haben drei kurze Orchestertänze aus seiner Oper Alcide habenvorgestellt – mit spürbarem Bemühen, Funken zu schlagen, wo eher bescheidenes Zündmaterial da ist.
Das Motto der heurigen Mozartwoche lautet Destination Mozart. Eine Station auf dem Weg ist Georg Friedrich Händel. Die Suite Nr. 3 G-Dur HWV 350, acht Tänze in G-Dur aus der Wassermusik, rauschte prachtvoll auf, funkelte über dem Wasser. Hochglanz-Barock, dem Outdoor-Event für einen König angemessen, aber wohl nur dem recht schlichten „Reise“-Motto der Mozartwoche zuliebe, in das einfach alles hineinpasst, auf die Pulte der Philharmoniker gekommen. Man hätte der Dirigentin bei ihrem Doppel-Debüt eine härtere Nuss zu knacken gewünscht.
Juan Diego Flórez, angesagt mit Mozart-Arien, musste aus Gesundheitsgründen am Konzertnachmittag kurzfristigst absagen. Diese Lücke mit Bedauern zu akzeptieren (oder mit einem Instrumentalstück gefüllt zu bekommen) hätte das Publikum aus Respekt vor dem großen Sänger wohl hingenommen.
Statt dessen fühlte Intendant Rolando Villazón sich bemüßigt, mit einigen (anderen) Nummern einzuspringen. Man ist bei der Mozartwoche andere Gesangskunst gewohnt. Aber „Mozart lebt“, betont Villazón immer. Mozart über-lebt vieles. Und man hatte im Großen Festspielhaus das Vergnügen, unter der präzise fordernden Leitung von Oksana Lyniv den erstaunlich facettenreichen Orchestersatz der Konzertarie Va dal furor portata KV 21 des zwölfjährigen Mozart mitreißend musikantisch gespielt zu erleben. Auch Voi che Fausti ognor donate Arie des Alessandro aus Il re pastore und die Arie für Tenor und Orchester Con ossequio, con rispetto KV 210 haben die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Oksana Lyniv mit verantwortungsvoller Brillanz begleitet.
Das dritte Wiener Philharmonische-Konzert der Mozartwoche barg dann doch noch in seinem Kern eine wahre Mozart-Sternstunde, zwei Höhepunkten wie zwei Seiten eines „Goldenen Philharmonikers“ aus weit mehr als nur einer Unze Goldes geschlagen. Der erste Höhepunkt war Mozarts Violinkonzert D-Dur KV 218 mit dem Violinsolisten Rainer Honeck. Die „Kollegen“ haben dem geradezu überirdisch delikaten Spiel ihres Konzertmeisters die delikatesten Facetten ihrer Klangkunst zu Füßen gelegt.
Oksana Lyniv steht für Klarheit, Transparenz, Präszision und – bei allem Sinn für Feinheiten – für Verve und Drive: Gute Voraussetzungen für Mozart. Dazu Rainer Honecks Solo! Tragender Ton bis ins feinste Pianissimo hinein. In technischer Virtuosität geerdete Melodiebögen, die klanglich gen Himmel streben... Nein, das ist nicht übertrieben. Das Rondeau gestalteten Honeck und die Wiener unter Oksana Lyniv als einen geradezu klangrednerischen Wettstreit um immer noch temperamentvollere und immer noch raffinierter colorierte Facetten des Themas. In diese Sternstunde der Mozartinterpretation fiel auch Oksana Lynivs Lesart der Sinfonie g-Moll KV 183 – entstanden in Salzburg und ein Tor in eine neue Welt. Die ständigen bockigen Wechsel in Tempo, Rhythmus oder Tonart in den dramatischen Passagen standen in reizvollem Kontrast zu jenen scheinbar ruhigeren Momenten, die vor innerlich pulsierender Unruhe bersten wollen. Eine Mozart-Interpretation weit über wiener-philharmonischen Schönklang hinaus. Wiener Gold eben.
Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher