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Von der Faschingsfigur zur Percht

HINTERGRUND / TRESTERER

02/01/17 Eigentlich ein ziemliches Pech für die Tresterer im Pinzgau: Ausgerechnet ihr Tanz, der angeblich so urtümlich ist, dient im Moment als eines der Lieblingsbeispiele in der Volkskunde, wenn es gilt, Brauch-Verwandlungen und auch falsche Erklärungen von Bräuchen zu erklären. So auch jetzt gerade in der Schau "Matthias tanzt" im Österreichischen Volkskundemuseum in Wien.

Von Reinhard Kriechbaum

Da findet man also bei den Tresterern in Zell am See, Stuhlfelfen, Fusch, aber auch bei jenen der Alpinia in der Stadt Salzburg, wunderschöne Brokat-Gewänder und auffallende weiße Federn als Kopfschmuck. Die Tresterer in Unken tragen schwarze Hüte mit Bändern und sind auch sonst anders angezogen als die Kollegen. Der zur Teil unbegleitete Tanz, den die Tresterer bei ihren Besuchen in den Häusern am 5. und 6. Jänner tanzen, hat unglückseligerweise in der NS-Zeit völkisch ausgerichtete Brauch-Deuter dazu bewogen, mythische Wurzeln hinein zu interpretieren. Die Saat aufwecken? Solche "erfundene" Erklärungen geistern heutzutage immer noch herum.

Eigentlich waren die Tresterer Faschingsfiguren, nach dem Vorbild oberitalienischer Faschingsumzüge in Renaissance und Frühbarock nachgeahmt. Karnevalsumzüge, wie sie Erzbischof Markus Stitticus in den ersten Jahren nach dem Bau des Lustschlosses Hellbrunn veranstalten ließ, sind imitiert worden im Land, wurden dann aber dort, wo man mit dem Begriff "Fasching" nicht so viel anfangen konnte, bald nicht mehr verstanden. So sind die Tresterer eingebunden worden in jenen Umzugs-Termin, bei dem immer schon Verkleidung angesagt war: in den Perchtenbrauch. Auch da gab es immer wieder ein Auf und Ab. Als in der Monarchie-Endzeit die Sehnsüchte nach "Nationalismen", nach deutlich abgrenzenden kulturellen Ausformungen der Monarchievölker übergroß wurden, hat man solche Bräuche wiedererweckt und auch einem brügerlich-städtischen Publikum nahe gebracht.

Da rühren die Tresterer der Salzburger Alpinia her, die nun auf der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturguts stehen (und nicht ihre Pinzgauer Kollegen, was ja viel logischer wäre). 1911 führte der damals großbürgerlich-adelige "1. Salzburger Gebirgstrachtenverein Alpinia" den Tresterertanz bei seinem Ball zum 20-Jahre-Jubiläum als viel beachtete Neuheit auf. Von da an gehörte er zu den berühmten "Alpine Abenden" im Salzburger Kurhaus. Das waren damals Höhepunkte des gesellschaftlichen Lebens. Um 1930 traten die Alpinia-Tresterer mit ihrem Tanz bei Wettbewerben in Wien auf.

Viel historisches Bildmaterial und originale Tresterer-Kostüme sind nun im Österreichischen Volkskundemuseum in der Wiener Laudonstraße zu sehen. Die Leiterin des Salzburger Landesinstituts für Volkskunde, Ulrike Kammerhofer-Aggermann, hat viel Material zusammengetragen und beschreibt anschaulich die Wege, die dieser Brauch genommen hat. Würden die Tresterer-Vereine Innergebirg nicht motzen und hätten sie Material beigestellt, könnte das alles noch viel beeindruckender aussehen. Aber das will leider nicht sein. Dort trägt man der verdienten Wissenschafterin nämlich immer noch nach, dass sie vertraute Erklärungen als falsch und als ehemals völkisch motiviert entlarvt hat.

Die Kunstinstallation "Matthias tanzt" von dem Salzburger Künstler Thomas Hörl hat der Schau in Wien den Namen gegeben. Es ist eine Hommage an den Tresterertänzer Matthias Eder aus Uttendorf, der bereits 1897 in Salzburg bei Festen im heutigen Volksgarten aufgetreten und 1939 für das Phonogramm-Archiv gefilmt worden war. Mit seinen Verfremdungen betont Thomas Hörl die Faschings-Wurzeln des bis heute im Pinzgau und bei der Salzburger Alpinia einzigartigen und auch eindrucksvollen Brauchs.

Am 5. Jänner werden die Tresterer der Alpinia Salzburg tanzen und ein gutes neues Jahr wünschen, heuer in Grödig.
Am 14. Jänner sind sie in Wien natürlich auch dabei. Da wird 15 Uhr im Österreichischen Volkskundemuseum die Publikation zur Ausstellung präsentiert und es gibt ein Podiumsgespräch. Hinter der Schau steckt ja ein unfängliches wissenschaftliches Projekt. - www.volkskundemuseum.at
Bilder: dpk-krie (2); Österreichisches Volkskundemuseum (2)
Mehr über die Tresterer auch in dem Buch "Salzburger Brauch" von Reinhard Kriechbaum und Erika Scherer - www.rupertusverlag.at

 

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