Tausend Quadratmeter Engelsflügel-Kleid
REST DER WELT / ST. MARGARETHEN / TOSCA
17/07/15 Wir waren bei der dritten Aufführung – ohne halben Weltuntergang, wie bei der Premiere, aber immer noch ein eher kühler Abend bei 15 Grad. Cavaradossis vermutlich auch weniger musikalisch animierten, weinseligen und deshalb nicht immer konzentriert zuhörenden Gästen vertraute Arie „Und es blitzten die Sterne“ war wirklich unter einem klaren Sternenhimmel zu hören. Für manche vielleicht „blaufränkisch“ unterlegt.
Von Wolfgang Stern
Der allzeit charmante Wolfgang Werner ist Historie, der neuen Intendantin, Maren Hofmeister, gelang mit dem Team Dornhelm-Bergman-Güttler ein jedenfalls bildmächtiger Start mit Puccinis „Tosca“.
Die Bühne ist diesmal ein rund 26 m hoher Engel mit einem 1000 Quadratmetern Flügelkleid, das geöffnet als Kuppelraum optimal für das grausame Spiel des Geschehens verwendet werden kann. Dazu kommen LED-Wände und Projektionen, für die Robert Dornhelm (nach „Aida“ und „La Boheme“ im Römersteinbruch) verantwortlich ist. Die Exkursion des Regisseurs und der Ausstatterin nach Rom hat sich gelohnt, so kann man Sant´Maria della Valle und den Palazzo Farnese hautnah im Römersteinbruch erleben, dank großartiger dreidimensionaler Projektionskunst, auf technisch höchstem Niveau.
Das ist die Stunde der aus Sarajewo gebürtigen Wonder-Schülerin Amra Bergman, die seit 2005 eine eigene Modefirma führt und „so nebenbei“ kreativ für die Bühne arbeitet. Man erinnert sich noch gern an ihre „Fledermaus“ im letzten Serafin-Jahr in Mörbisch oder an die Ausstattung der Oper „Das schlaue Füchslein“ in der Wiener Staatsoper. Ihr überdimensionaler Tosca-Engel mit dem muskulösen ausgestreckten Arm wird in Erinnerung bleiben. Diesmal also kein Spektakel mit Stunts, Pferden oder Lichtaktionen. Bloß der imposant-kitschige Engel ist im Zentrum des sonst naturbelassenen Steinbruchs.
In der Personenführung ist man diesmal eher bescheiden. Dadurch kann man sich besser auf Film und Stehbild konzentrieren. Es ist ein starker Bezug zum Kino, der Filmregisseur Dornhelm deutet auf seine Art Puccini als „Filmmusik-Schöpfer“. Entsprechend sind die Projektionseffekte, so auch zwischendurch in der parallel gezeigten überdimensionalen Darstellung der Protagonisten. Das immer wieder von vielen Zuschauern erwartete Feuerwerk wurde zum Te Deum am Ende des ersten Aktes in Sparform gezündet. Eigentlich hätte man es sich ersparen können.
Musikalisch muss es bei Aufführungen im Freien immer Abstriche geben. Es sind nicht nur die Flugzeuge, auch der Ton wirkt diesmal verstärkt in hohen Lagen schrill und spitz, fast synthetisch. Und so ist es im Prinzip fast egal, welche Sänger und Sängerinnen in den zwei- bis vierfach besetzen Rollen zu hören sind, sofern bloß intonationssauber gesungen wird. Katrin Adel ist eine Tosca ohne Makel, der fesche Cavaradossi Marcelo Puente verfügt über Höhensicherheit und ist Blickfang für manche angereiste Damenclubs, Scarpia spielt den Bösen mit Überzeugung (Davide Damiani), Angelotti (Clemens Unterreiner) und der Mesner (Leonardo Galezzi) sind angenehme Erscheinungen, ohne besonders aufzufallen. Das Orchester der Staatsoper Prag ist bemüht, dynamische Kontraste kommen eher bescheiden zur Geltung, obwohl der Chef der Finnischen Nationaloper Helsinki, Michael Güttler, die Ausführenden gut in Griff hat. Routine ist ihm anzumerken. Der Philharmonia Chor Wien und der Knabenchor Bratislava fügen sich gut in das Geschehen ein.
St. Margarethen bietet in diesem Jahr Visuelles der ersten Güte, der Film und die Projektion sind eine Bereicherung für die Opern, weil sie gut gemacht sind. Dafür garantieren Robert Dornhelm - und nicht zu vergessen, Amra Berman mit ihrer imposanten Engelskreation.