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Wer fürchtet sich vor einer Metapher?

REST DER WELT / WIEN / BEI EINBRUCH DER DUNKELHEIT

14/11/14 Für Bonmots ist Peter Turrinis „Bei Einbruch der Dunkelheit“ alleweil gut: „Alle Kärntner Richter sind Nazis“, heißt es. Und gut Freund mit den gleich denkenden Bürgermeistern. So was kommt garantiert gut bei hauptstädtischem Premierenpublikum.

Von Reinhard Kriechbaum

Fast erwartet man, dass sie gleich „Ihr Ratten“ oder Ähnliches in die Runde ruft. Tut sie aber nicht, obwohl ihr Regisseur Christian Stückl und sein Ausstatter und Kostümbildner Stefan Hageneier das Outfit von Dame Edna verpasst haben. Stattdessen fordert die alte Dame die sie umgebende, mit messerscharfen Wörtern bewaffnete Nachmittags-Gartengesellschaft auf, von diesem Werkzeug auch üppig Gebrauch zu machen: „Damit die Konversation an Lebendigkeit gewinnt“, wie sie es mehrmals formuliert.

 

Wir sind an vertrautem Ort, einem Nukleus der österreichischen Nachkriegsliteratur. Von Thomas Bernhard sind wir bestens eingeführt worden dort. Da gab es das legendäre Mäzenaten-Ehepaar Lampersberg, das Ende der fünfziger/Anfang der sechziger Jahre in Kärnten junge Künstler um sich scharten. Allen voran eben Thomas Bernhard, der dann mit dem Roman „Holzfällen“ die Hand, die ihn dereinst generös fütterte, so fest wie nur beißen sollte. In der Runde war auch ein gerade Fünfzehnjähriger aus dem Kärntner Dorf Maria Saal, und auch er profitierte von dem reichlich verqueren, heftig saufenden und schmarotzenden Künstlerzirkel und seinem Geldgeber: Das war Peter Turrini…

„Bei Einbruch der Dunkelheit“, 2006 in der Höhle des Löwen, im Klagenfurter Stadttheater uraufgeführt, hat also etwas Autobiographisches. „Ich mache aus Vorfindungen Erfindungen“, betont Turrini. Genau so sollte man die Sache auch verstehen: als ziemlich überdrehte Paraphrase auf etwas, was der Pubertierende, damals auf Buchstabensuche, letztlich doch ähnlich krass empfunden haben mag. Turrinis Erinnerung (in einem im Programmheft abgedruckten Interview) ist entschieden positiver als der Theatertext. Er habe viel gelernt von diesem auch als Komponisten sich gerierenden Mäzen Lampersberg, mit all seinen Schnurren.

Das Stück wird jetzt im Burgtheater in einer etwas von Skizzen und einer Erstfassung angeschärften Version gezeigt. Man darf darüber nachdenken, dass das, was an Wirtschaftskriminalität im Land der schönen Seen in den letzten Jahren aufgedeckt worden ist, die Anspielungen von Turrini in seinem 2004/05 geschriebenen Stück weit in den Schatten stellt.

Das Setting ist deftig: Da ist dieser Sponsor-Typ, hier genannt Philippe, ein hemmungsloser Trinker, vor dem weder Frauen noch Männer sicher sind (letztere ganz besonders nicht). Über jeden und jede macht er sich im Lauf des Stücks einmal her, über den „dicken Jungen“ öfters. Für Markus Meyer eine tolle Rolle, in der er auch als Schlager-Barde immer wieder die Lacher auf seiner Seite hat.

Vor allem aber ist es der Abend der Barbara Petritsch. Sie ist die gallig bittere, geriatrisch ausgereifte „Dame Edna“ alias „Gräfin“ alias „Frau Schwarz“: „Ich bestehe auf Verstellung“, insistiert sie, wenn die Masken der Gesellschaft zu drohen fallen (und das tun sie oft). Eben Masken wolle sie sehen, nicht „blöde Gesichter“. Und im übrigen – in solchen Formulierungen finden wir uns unvermittelt in der Phrasenwelt von Thomas Bernhard wieder – sei „die ganze Kunst verstellt von aufgeblasenen Bedeutungsträgern“. Einmal reklamiert sie „Das eingeborene Böse“ herbei und zhebt u einer Suada über die „modernen Theologen“ ausholt. Lehren doch diese, dass das Schmoren in der Hölle nicht mehr denn eine Metapher sei. Freilich: „Wer fürchtet sich vor einer Metapher?“

Immer wieder holt jemand in der Runde aus zum Kunst-Exkurs in Bernhard-Manier, wird aber regelmäßig aus- und abgestochen von der spitzzüngigen Alten, vom durchgeknallten Bonvivant Philippe oder seiner fanatisch-optimistischen Frau Claire (Dorothee Hartinger), die sich von der Mutter sagen lassen muss, sie sei eine „Idiotin des Positiven“. Die anderen sind Stichwortbringer, und das wortwörtlich: Ihre Sätze sind geschärft wie Dolche. Ein wenig unausgeglichen wirken die Figuren in der dramaturgischen Feinmechanik. Burgtheater-Regiedebütant Christian Stückl, der auf lustvolles Outrieren mehr denn auf hinterhältig leise Töne setzt, hält dem nicht wirklich Ausgleichendes entgegen.

Falk Rockstroh sei zumindest hervorgehoben aus der buntscheckigen Personnage. Wenn er in der Rolle des alten Rechtsanwalts der Mäzenatenfamilie wieder Mal den Finger mahnend ausstreckt und irgendetwas hinterfragt: Dann ist sofort wieder verbales Strohfeuer am Dach und die Gräfin nicht weit, um wieder mal Öl ins Feuer der aufbrandenden Diskussion zu gießen.

All diesen Leuten spürt man an, dass sie Gene aus der Ödön von Horváth’schen Stückewelt in sich tragen. Der ist für Turrini erklärtermaßen so etwas wie der Theater-Urvater. Die Mixtur aus Horváth und Bernhard treibt durchaus eigenwillige Blüten. Geradliniger Deutung widersagen sich die Figuren, manch Uneingelöstes und nicht ganz Ausgearbeitetes rumort in ihnen. Das relativiert manche Plattheit und macht das Zuschauen zu einer lustvollen Angelegenheit, trotz der Dauer-Tristesse. Die mit auffallender Begeisterung aufgenommene Premiere galt aber wohl auch dem Jubilar Peter Turrini (er ist Siebzig) ganz allgemein, war Lob fürs Lebenswerk, das im Burgtheater vor allem Dank Peymann immer ziemlich repräsentativ vertreten war.

Aufführungen bis 30.12. - www.burgtheater.at
Bilder: Burgtheater / Georg Soulek

 

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