Vom Composer in residence Brett Dean
REST DER WELT/ GRAFENEGG
04/09/13 Die großen Orchesterkonzerte sind logischerweise der Publikumsmagnet. Eine Uraufführung stand am vorigen Wochenende im Mittelpunkt. Doch auch an der Nebenfront tut sich beim Grafenegg-Festival so manches, was lohnt, gar überrascht.
Von Wolfgang Stern
Am letzten Wochenende war wohl die Uraufführung von Brett Deans Trompetenkonzert mit Spannung erwartet worden. Dean als Composer in residence genoss sichtlich die drei Wochen in Grafenegg, was er auch in einem Prélude-Konzert bestätigte. Er ließ sich nicht nur als Komponist feiern. Als Dirigent und Solist sowie als Bratschist im Tonkünstlerorchester (wo er etwa in der „Ersten“ von Brahms mitspielte) bestätigte er sich als Allrounder. Immerhin war der Australier auch 15 Jahre bei den Berliner Philharmonikern, ehe er sich wieder auf den fünften Kontinent zurückzog, um seinen Kompositionsdrang stillen zu können.
Nordländern wurde die Ehre zuteil, Uraufführungsatmosphäre unter freiem Himmel zu schaffen: John Storgårds am Pult (er ist der Chef des Philharmonischen Orchesters Helsinki) des bestens vorbereiteten NÖ Tonkünstler-Orchesters, dazu der prominete Trompeter Håkan Hardenberger als Solist. „Dramatis Personae“ ist ein Auftragswerk des Grafenegg-Festivals. Dean beschreibt in den mit „Fall of a Superhero“, „Soliloquy“ und „The Accidental Revolutionary“ bezeichneten Sätzen auf seine Art mit viel rhythmischem Allerlei den Weg eines Superhelden Der Held ist zweifelsohne der Solist des Abends, der sich auf so manche Klangexperimente unter Zuhilfenahme unterschiedlichster Dämpfer einlassen muss. Hardenberger bleibt wahrhafter Held bis zum Schluss und erzielt für den Komponisten und dessen philosophische Ansätze einen Achtungserfolg. Das tonale Ende des dritten Satzes überrascht: Das Stück endet in einem „geordneten Chaos“.
In einem Prélude-Konzert agierte Dean als Dirigent einer Kammerorchestertruppe des Tonkünstlerorchesters. Nett fiel die Wiedergabe von Hugo Wolfs Italienischer Serenade aus. Deans Auseinandersetzung mit Hugo Wolfs Leben schlug sich in seinen „Wolf-Liedern“ für Sopran (souverän Claudia Barainsky) und Kammerensemble nieder – ein düsteres Bild über den gebürtigen Untersteirer, dessen Leben tragisch zu Ende ging.
Wenn wir schon von der Nebenfront sprechen, dann ist hier die großartige Matinee mit Diana Damrau und ihrem Begleiter Xavier de Maistre zu erwähnen. Schubert, Strauss und diverse französische Komponisten wählten die beiden aus. Die Verwendung der Harfe anstelle des Klaviers gibt Gelegenheit zu einer neuen Sichtweise. Xavier de Maistre versteht es, recht geschickt seine Bearbeitungen so anzulegen, dass der Stimme noch mehr Gestaltungsmöglichkeiten zuteil werden.
Phantastische Kammermusik war in einem weiteren Prélude-Konzert zu hören. Der kasachische Geiger Nikolay Orininskiy, der russische Cellist Georgy Goryunov und die chinesische Pianistin Le Liu warteten mit enormer Musizierlaune auf. Mit dem Schostakowitsch-Klaviertrio Nr.2, e-moll, gab das Trio eine Visitenkarte ab, die man sich unbedingt aufheben muss.
Nach Teilnahmen am Schleswig-Holstein Festival, dem Carinthischen Sommer, dem Ljubljana Festival, Auftritten in Edinburgh, Turku und Spanien, führte Valery Gergiev sein Mariinsky-Orchester St. Petersburg nun auch nach Grafenegg. Rudolf Buchbinder brillierte einmal mehr als Solist in der Paganini-Rhapsodie Rachmaninows. Eine Open-Air-Zeremonie vom Feinsten wurde die Wiedergabe der Symphonie Nr. 11 „Das Jahr 1905“. Packend, mitreißend und präzis wurde hier musiziert. Gergiev zog alle Register, um an die Ereignisse im Revolutionsjahr zu erinnern. Was für ein großartiges Blech, welche Spannung – eine echte Demonstration russischer Klangkultur!