Ein Lockenhaus an der Eisenwurzen
REST DER WELT / FESTIVAL ST.GALLEN
01/09/13 Ähnlich wie in Lockenhaus spielt man in Burg und Kirche. Seit 1986 gibt es das Festival St. Gallen in der Obersteiermark dank unermüdlichen Einsatzes einiger ehrenamtlicher „Aktivisten“. Kurt Schwertsik ist hier zum zweiten Mal „Composer in residence“.
Von Wolfgang Stern
Dünnbesiedelt ist diese Gegend – aber schön. Die Abwanderung ist spürbar. Trotzdem schafft man es immer wieder, in der zweiten Hälfte des August schwerpunktmäßig Musik von bester Qualität anzubieten, die den Weg dorthin lohnt. Ein klassisches Beispiel einer vorbildlichen regionalen Kulturarbeit, auch wenn der Wind, was die finanzielle Unterstützung betrifft, oft kühl entgegen bläst. Die Mitarbeiter des Kulturkreises Gallenstein arbeiten ehrenamtlich für eine wunderschöne Region. Hut ab!
Seit 1992 ist man bemüht, auch der zeitgenössischen Musik einen Raum zu geben. Seit dieser Zeit gibt es auch die „Composer in residence“. Begonnen hat man mit Wolfgang Kubizek, es folgten Werner Pirchner, Balduin Sulzer, Herbert Willi, Alexander Rabinovitch und andere.
So wie schon 2001 ist 2013 Kurt Schwertsik in St. Gallen und gibt dem Festival in etlichen Konzerten eine besondere Note. Der gebürtige Wiener, ehemalige Hornist beim Niederösterreichischen Tonkünstlerorchester und den Wiener Symphonikern, ordentliche Professor für Komposition an der Wiener Musikuniversität und mehrmals für sein Schaffen Ausgezeichnete ist nicht immer leicht einzuordnen, liegen seine Kompositionen doch zwischen den Konservativen und Progressiven. Wenn man ihn als romantischen Ironiker bezeichnet, liegt man nicht ganz falsch. Da ist es einmal Philosophisches, dann wieder Satirisches, was ihn anders als die Anderen macht. Der Witz in der Bezeichnung so mancher Sätze oder Stücke ist ebenso typisch für ihn: „Draculas Haus- oder Hofmusik“, „Blechpartie im neuesten Geschmack“ oder „Du mönchischer Clown“ sind nur einige Beispiele. Schwertsiks Musik ist eine Kombination vom Witz und Intelligenz, dann wieder nostalgisch und raffiniert, zeigt aber auch oft Momente einer gewissen Verliebtheit in Verrücktheiten des Lebens.
Beim leider schwach besuchten Eröffnungskonzert konnte das Kammerorchester Leopoldinum Breslau einen Überraschungseffekt erzielen. Das seit sechs Jahren vom Geiger Ernst Kovacic geleitete Ensemble spielte effektvoll und beeindruckte durch eine äußerst saubere und dynamische Musizierweise, wobei dem Gesamtklang der wunderbare Raum der örtlichen Pfarrkirche zugute kam. Neben Brittens Prelude and Fugue (on a theme of Vittoria) und der Dvo?ak-Streicherserenade waren es zwei Schwertsik-Kompositionen, die im Mittelpunkt des Abends standen. „Adieu Satie“ zeigt die starke Bindung des anwesenden Composers zu Satie, vor allem im vierten von fünf Sätzen, in „Gymnopédie“. „Draculas Haus- und Hofmusik“ hat starken Serenadencharakter trotz des Untertitels „Eine transsylvanische Simphonie“. Zum Schmunzeln regen Satzbezeichnungen wie „Taglied (Er übt auf der Geige)“ oder „Nachtstück (Er dirigiert Fledermäuse & Werwölfe)“, an.
Zur Halbzeit gab es dann eine Wiederbegegnung mit dem Arnold Schönberg Chor, der sich seit 15 Jahren am Festival beteiligt. Erwin Ortner sucht dafür immer ein Großwerk aus. Diesmal war es J. S. Bachs h-moll Messe, umgesetzt mit nur 20 Damen und 15 Herren. Bis zur Achtstimmigkeit wird dann der Chor im „Osanna“ gefordert.
Unter den Solisten waren Elena Copons-Labarias und Ursula Langmayr (beide Sopran), Johanna Krokovay (Alt) und Günter Haumer (Bass) weitere Stützen der Aufführung, während Jan Petryka (Tenor) noch in seine Rolle hineinwachsen muss. Das sogenannte Festivalorchester musizierte rücksichtsvoll in den Begleitrollen, zeigte sich aber auch von der energischen Seite, so etwa im „et resurrexit“ des Credos.