Der Intendant als transvestierender Hexerich
REST DER WELT / SCHLOSS TABOR / HÄNSEL UND GRETEL
05/08/13 In der 11. Saison bietet jopera im südburgenländischen Schloss Tabor in Neuhaus am Klausenbach Engelbert Humperdincks Märchenoper „Hänsel und Gretel“ an. Romantik pur erlebte man dabei in der Umsetzung der Handlung bei sternenklarem Himmel und einem angenehmen lauen Abend.
Von Wolfgang Stern
Mit einer spaßigen Bemerkung wurde der Premierenabend eingeleitet: „Der Kirschbaum ist nicht mehr, der Kerschbaum steht aber noch“. Gemeint war dabei ein Kirschbaum, der im Hof des Schlosses umgesägt werden musste, weil der Platz einfach benötigt wurde. Der Intendant der Opernfestspiele, die 2003 mit Mozarts Zauberflöte mutig einen Beginn setzten, führte diese so wichtige Institution professionell mit seinem Team zu einem Opernevent, das vollste Akzeptanz genießt und mit nahezu hundert Prozent Auslastung aufwarten kann – und das bei 820 Tribünensitzplätzen. Ein starker Trend gegen das sogenannte Nord-Süd-Gefälle unseres östlichsten Bundeslandes.
Dietmar Kerschbaum ist das gelungen, wovon viele Veranstalter träumen. Tabor expandierte langsam und bleibt nach wie vor ein kleines überschaubares Festival, wo man wie in diesem Sommer sieben Aufführungen anbietet. Ein Wunschtraum konnte dank zahlreicher Sponsoren umgesetzt werden in einer Region, die sich auch früher wegen der Ostgrenze im Dornröschenschlaf befand und wo jetzt Märchenhaftes im wahrsten Sinne des Wortes aufgeführt wird.
Zauberhaft setzte man den Klassiker der romantischen Oper im zur Westseite offenen Schlosshof (Schlossbau 1469) bei Sonnenuntergang um. Josef E. Köpplinger (Intendant des Münchner Gärtnerplatztheaters) setzt als Regisseur seine teils köstlichen Ideen ein, zum anderen lässt sich der Generalmusikdirektor der Oper Frankfurt, Sebastian Weigle, abermals mit seiner jungen Philharmonie Brandenburg ins Südburgenland verführen.
Köpplinger macht zusammen mit Rainer Sinell als Bühnenbildner Märchen für alle Alterstufen, beide zeigen ihre romantische Ader und verzaubern die fixe Kulisse, die der Schlosshof mit seinen Arkaden bietet. Für die Familie gibt es einen Oldtimer als Campingbus mit fetziger Inneneinrichtung samt Hometrainer. Nachdem Hänsel und Gretel in den Wald geschickt wurden, verursacht der Vater noch einen Kurzen, sodass das Mobil von Helfern zur „Werkstätte“ geschoben werden muss. Im Wald gibt es Romantik pur mit zauberhaften Beleuchtungseffekten. Das Knusperhaus ist ein großes Einkaufswagerl voller Süßigkeiten. Natürlich gibt es einen Ofen, in dem der Hexerich als Transvestit landet.
Und dann noch Romantik pur bei der Entzauberung der Kinder. Sandmännchen, Taumännchen und Kuchenkinder (Choreographie: Florian Hurler) treten wie insgesamt alle Darsteller in schönen Kostümen (Susanne Özpiner) auf.
Im Sängerensemble passt eigentlich alles. Adrineh Simonian (Hänsel) und Renate Pitscheider (Gretel) schlüpfen sichtlich gerne in die Kinderrollen und sind von ihrem Timbre her eine ideale Kombination. Derrick Ballard überzeugt mit seinem wortdeutlichen Bass als Vater, ebenso pariert Christa Ratzenböck ihre Mutterrolle. Ein liebes stimmlich versiertes Sandmännchen stellt Birgitta Wetzl dar. Und der singende Intendant vergnügt sich so richtig in der Frauenrolle einer Hexe.
Diesmal überraschen die jungen Musikerinnen und Musiker im Orchestergraben. Sebastian Weigle hatte mit Intensivproben in drei Wochen ein beachtenswertes Ergebnis erzielt. Immer war das Orchester als Begleiter im Hintergrund, zeigte aber auch in Ouvertüre oder Zwischenspielen gute dynamische Momente.