Lotto-Zwölfer oder „immer das Bummerl“?
REST DER WELT / WIEN-MUSEUM / SPIELE DER STADT
31/12/12 Das ist nun wirklich unsägliches Erfinder-Pech: Ein gewisser Franz Weigl hat sich ein Spiel ausgedacht, bei dem man aus Buchstaben-Plättchen, die wie Puzzlesteine ineinander greifen, Wörter bilden sollte. Die Sache hat sich gut angelassen. 1939 bekam der Wiener aus den USA einen Auftrag auf die Lieferung von gleich 100.000 Stück dieses Spiels.
Von Reinhard Kriechbaum
Bei Franz Weigl trudelte damals freilich nicht nur dieser viel versprechende Großauftrag aus der neuen Welt ein, sondern auch die Einziehung zur Wehrmacht. Und so konnte er sein Spiel mit dem Namen „Typ-Dom“ nicht liefern. Das Rennen machte deshalb in den USA das „Scrabble“.
Besser hat da wohl die Firma Piatnik die Zeitläufte überdauert: Ferdinand Piatnik (1819-1885) war ein Kartenmaler in Ofen (Budapest). 1861 meldete er den von ihm erfundenen Lacküberzug für Spielkarten als Patent an. Die Technik hat sich als äußerst praktikabel und für Piatnik und seine Erben als gewinnbringend herausgestellt. Nach Ende der Monarchie war Piatnik für eine Weile immerhin die einzige Spielkartenfabrik Österreichs.
Eine andere Spiele-Erfolgsgeschichte aus unserem Land: Der Techniker Johann Korbuly (1860-1919) lieferte nicht nur das Ingeneering für die Grazer Schlossbergbahn, sondern er erdachte auch ein Spielzeug, das einen Siegeszug durch die Kinderzimmer antrat: Seit 1901 gibt es den Holz-Konstruktionsbaukasten „Matador“. Bis in die 1970er Jahre war die Firma erfolgreich. Nach dem Krieg machte ihr die Konkurrenz aus Plastik freilich arg zu schaffen. 1978 gab es einen wenig geglückten Modernisierungsversuch durch Kurt Falk. Vielleicht war das doch nicht das geeignete Betätigungsfeld für den Ex-Krone-Mitherausgeber! Den „Matador“ gibt es übrigens wieder, als Nostalgie-Edition.
„Spiele der Stadt“ heißt eine Ausstellung im Wien Museum. Von klassischen Gesellschaftsspielen wie Tarock oder Schach erzählt die Ausstellung ebenso wie von der Rummy-Mode der zwanziger Jahre („Die Emmy spielt Rummy“) oder von vergessenen Spielen wie „Glocke und Hammer“ oder „Vater leich ma d’ Scher“, einer Art „Reise nach Jerusalem“ zwischen Bäumen und Sträuchern. Outdoor also. Konnten Kinder früher bedenkenlos auf der Straße Reifen treiben, so ist heutzutage eher die pädagogisch sinnvolle Gestaltung von Kinderspielplätzen ein Thema.
Deutlich treten soziale Differenzierungen zutage: Im Kaffeehaus wurden andere Spiele gespielt als im Wirtshaus, im bürgerlichen Wohnzimmer andere als in der Arbeiterwohnung. Das legendäre Stoß-Spiel der Gürtelstrizzis in Wien, gezinkte Karten und Warnungen vor dem Falschspiel sowie die heute allerorts anzutreffenden Spielautomaten zeugen von den dunklen Seiten des Spiels. Rund 3500 Glücksspiel-Automaten sind derzeit in Wien offiziell (und legal) aufgestellt, die Dunkelziffer liegt wesentlich höher. Der typische Spielsüchtige unserer Tage ist männlich, jung, hat Migrationshintergrund – und kaum Zukunftschancen.
Spiel-Geschichte ist gleichermaßen Sozial- wie Kulturgeschichte. Vom exquisiten aristokratischen Vergnügen ist das Billard zum bürgerlichen Zeitvertreib in die Kaffeehäuser gewandert und schließlich zum wettbewerbsmäßigen Sport geworden. Das Tarock, einst als „Hofratsspiel“ bezeichnet, würde so populär, dass Friedrich Torberg Österreich gar als „Tarockanien“ bezeichnete.In der Ausstellung ist die Tarock-Schatulle von Johann Strauß zu sehen. Der Jugendstil-Meister Dagobert Peche hat einen Stadtbaukasten entworfen.
Die erste Wiener Lotterie finanzierte 1475 die Kosten eines Schützenfestes. Zum erfolgreichsten öffentlichen Glücksspiel avancierte das 1752 eingeführte italienische Zahlenlotto „5 aus 90“, bei dem – auch mit geringen Beträgen – auf eine oder mehrere Zahlen gesetzt werden konnte. Lotteriebuden mit sofortigen Warengewinnen hatte es bereits früher gegeben. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gehörten Lotto-Annahmestellen bereits zum Stadtbild, zunächst als Nebengeschäft von Feinkostläden, bald auch in Verbindung mit Tabaktrafiken.
Und wie ist das mit „Ana hat imma des Bummerl“? Gemeint ist der Kreidepunkt, der den Verlierer anzeigt. Horst Chmela hat das Bummerl in seinem 1971 geschriebenen Schlager unsterblich gemacht.