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Pablo Neruda zu Ehren

WIEN / IL POSTINO

13/12/10 Übernahme von Daniel Catáns Oper „Il postino“ aus Los Angeles im Theater an der Wien. Auch Plácido Domingos enorme Bühnenpräsenz kann die Schwächen des Werks nicht wettmachen.

Von Oliver Schneider

Spanische Opern haben in den USA zurzeit Konjunktur, in Europa weniger. Der im September zum 25-Jahr-Jubiläum der Los Angeles Opera uraufgeführte „postino“ des aus Mexico City stammenden, heute in den USA lebenden Komponisten Daniel Catán ist nur ein Beispiel.

Das Werk beruht auf der Novelle „Mit brennender Geduld“ über den chilenischen Dichter Pablo Neruda von Antonio Skármeta und vor allem den 1994 entstandenen Film „Il postino“ von Michael Radford. Genau wie im Film möchte sich der junge Mario nicht wie die anderen Männer auf der Insel Cala di Sotto vom Fischfang ernähren: Er wird deshalb Briefträger und bringt einem einzigen Menschen die Post: dem im Exil lebenden Dichter Pablo Neruda. Zwischen den beiden entspinnt sich eine Freundschaft, und Mario lernt von Neruda Natur, Poesie und Politik kennen. Mit Hilfe von Nerudas Liebesgedichten erobert er auch die Kellnerin Beatrice. An Paolos und Beatrices Hochzeitstag dürfen Pablo und seine Frau nach Chile zurückkehren. Als sie Jahre später nochmals nach Cala di Sotto kommen, erfahren sie von Marios Tod: Er ist bei einer kommunistischen Manifestation umgekommen, als er sein erstes Gedicht vortragen wollte: Es war Pablo Neruda, dem Volksdichter und bekennenden Kommunisten gewidmet.

Wodurch zeichnet sich Catáns Musik zu dieser realen, aber gleichwohl poetischen Handlung aus? Im Mittelpunkt steht die menschliche Stimme, nie müssen die Sänger sich gegen Klangmassen behaupten. Catán setzt das relativ groß besetzte Orchester differenziert ein und lässt so immer wieder vor allem lyrische, eingängige Momente entstehen. Gleich im ersten Bild des ersten Aktes fängt er die duftende mediterrane Stimmung auf der Insel Cala di Sotto ein. Sehr berührend ist auch das Liebesduett zwischen Mario und Beatrice im zweiten Akt. Mit der Zeit ermüdet jedoch der permanente Fluss schöner Kantilenen, es fehlen die Kanten und Abgründe, für die das Libretto im zeitgeschichtlichen Kontext gesehen durchaus Raum bieten würde. Freilich, das soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden: Der von Catán selbst verfasste Text ist einfach gehalten, so dass auch Menschen mit geringen Spanisch-Kenntnissen dem kurzweiligen Abend ohne Mühen folgen können.

Dazu trägt auch die librettogetreue Inszenierung von Ron Daniels in der Ausstattung von Riccardo Hernández bei. Die rasch aufeinander folgenden Szenen spielen mal auf Nerudas Terrasse mit Blick auf das Mittelmeer, in einer italienischen Bar, in einem Orangenhain, aber auch an weniger idyllischen Orten wie in einer Fabrik oder an besagter politischer Manifestation. Videoprojektionen von Philip Bussmann werden vor allem dann eingesetzt, wenn Neruda seinem jungen Freund die Schönheit der Natur zeigt. Manche dieser Bilder schrammen haarscharf am Kitsch vorbei, aber damit schließt sich der Bogen zur Musik. Zum Glück besteht Daniels Inszenierung nicht einfach aus pittoresken Bildern. Daniels weiß den Personen dank einer handwerklich soliden Personenführung Leben einzuhauchen.

„Il postino“ ist eine Auftragskomposition von Plácido Domingo, und selbstverständlich ist die Rolle des exilierten Pablo Neruda ihm in die Kehle komponiert. In der Premiere am Donnerstagabend durfte man wieder einmal erleben, was für ein Ausnahmesänger Plácido Domingo auch im Spätherbst seiner Karriere ist. Mehr Worte sind da nicht nötig, wenn Domingo wie an diesem Abend in so blendender stimmlicher Verfassung ist. Interessant ist es, daneben den jungen Spanier Israel Lozano in der Rolle des Mario zu sehen und zu hören, der über einen elegant-schmiegsamen und beweglichen Tenor verfügt. Nicht auf dem Niveau besetzt sind leider die beiden tragenden Frauenpartien: Christina Gallardo-Domâs kämpft sich mit ihrem großen Tremolo durch die Partie der Matilde, Nerudas Frau, und bei Amanda Squitieris Beatrice machen sich schon heute schneidende Schärfen in der Höhe bemerkbar. Jesús López-Cobus sorgt am Pult der Wiener Symphoniker für eine flüssige Umsetzung der Partitur, vergisst dabei aber auch den Blick auf die Details nicht. Vor allem verhindert er, dass der Abend nicht vollends ins Süßliche kippt. Der von Erwin Ortner einstudierte Arnold Schoenberg Chor bestätigt einmal mehr seinen guten Ruf.

Weitere Vorstellungen: 14., 18. und 21. Dezember - www.theater-wien.at Ö1 überträgt „Il postino“ am 18. Dezember ab 19.30 Uhr.
Bilder: Theater an der Wien / Armin Bardel

 

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