Petzen beim Kaiser hilft nix
HINTERGRUND / ANTON BRUCKNER
18/10/24 Das Bruckner-Jahr neigt sich dem Ende zu. Die Bruckner-Faszination steigt mit jeder Facette aus Leben und Werk. Musikkritiker, die gegen ihn waren, mochte Bruckner etwa nicht. Er intervenierte sogar beim Kaiser. Die Österreichische Nationalbibliothek widmet dem Musikanten Gottes 1824–1896 eine große Ausstellung im Prunksaal. Erstmals werden alle neun Symphonien im Original gezeigt.
Die einzigartige Bruckner-Sammlung der ÖNB wurde 2014 in das Nationale Memory of the World Register der UNESCO aufgenommen. In deren Bestand befinden sich die Originalhandschriften der Hauptwerke Bruckners. So werden erstmals In der Schau im Prunksaal werden alle zeigt Originalhandschriften der Partituren gezeigt. Dazu präsentiert man Schaustücke, „die sich auf Umstände der Entstehung und die Widmungsträger beziehen“, so das Kuratorenteam Andrea Harrandt und Thomas Leibnitz.
„In seinem Testament verfügte Anton Bruckner, dass die handschriftlichen Partituren seiner Hauptwerke in die damalige k.k. Hofbibliothek gelangen sollten“. Es wird nicht nur bewahrt und erhalten. Die Nationalbibliothek will den Bestand auch erweitern. „Alternative Fassungen der Symphonien, Abschriften, Drucke, Briefe, persönliche Dokumente und Nachlässe aus dem Umkreis Bruckners seien in den Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek gekommen: „Alle Objekte mit direktem Bezug zu Bruckner wurden gescannt und sind ergänzend zur neuen Schau im Prunksaal, im Rahmen des Web-Portals Bruckner Digital weltweit abrufbar.“
Die Spannung zwischen „dem kirchlich-hierarchisch geprägten Umfeld seiner oberösterreichischen Heimat und der liberal-weltstädtischen Atmosphäre Wiens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“ sei wichtig zum Verständnis der Persönlichkeit Bruckners. Diese Spannung stehe daher im Zentrum der Schau. „Tatsächlich kann Bruckners Entschluss, 1868 sein bisheriges Umfeld zu verlassen und nach Wien zu übersiedeln, um dort eine Professur am Konservatorium der Musikfreunde anzunehmen, als wesentlicher Angelpunkt seines Lebens angesehen werden, der mit seiner Neuorientierung als Komponist zusammenfiel“, so das Kuratorenteam. Bruckner, der sich zuvor auf Vokal- und Sakralmusik konzentriert hatte, wurde „zum Symphoniekomponisten, der sich einer kritischen Öffentlichkeit stellte und Kritik von großer Schärfe erfuhr“.
Allein Bruckners „Sprache, Kleidung und Umgangsformen“ standen „im Kontrast zu den Normen der Großstadtkultur“. Gleichzeitig habe er „in seiner musikalischen Sprache als Symphoniker“ einen neuen Ton angeschlagen – von den Anhängern „gerühmt“, von den Gegnern „stark kritisiert“. Allein die schiere Länge seiner Symphoniesätze, die als „harmonisch avanciert“ empfundene Harmonik und die erforderlich gewordene „Art des Hörens, die auch das Nachklingen in den aktiven Hörvorgang einbezieht“ erschwerten den Zugang.
Anton Bruckner war ein strenggläubiger Katholik, er begegnete kirchlicher wie weltlicher Autorität mit einer Ergebenheit, „die als Unterwürfigkeit und gelegentlich auch als Berechnung ausgelegt wurde“. Diesen Spannungen und Gegensätzen folgt die Schau im Prunksaal der ÖNB.
Die Schau gliedert sich „in thematisch konzentrierte Kapitel, die dem Pfad von Bruckners Biografie folgen, ohne sich in deren Details zu verlieren“. Auch die Wirkung Bruckners ist Thema. Untersucht werden die „Ausbreitung seines Ruhms nach dem Ersten Weltkrieg, verbunden mit seiner Verkitschung als Musikant Gottes“, aber auch seine „Vereinnahmung als spezifisch deutscher Komponist während des Nationalsozialismus“ sowie Bruckners Image nach 1945. Dieses Image sei zunächst von katholisch-konservativen Elementen geprägt gewesen und habe erst nach 1970 „durch Einbeziehung sozialkritischer und psychologischer Zugänge einen eindeutigen Wandel“ erfahren.
Die öffentliche Anerkennung seines Schaffens sei Bruckner zeitlebens sehr wichtig gewesen, erinnern die Ausstellungsmacher. Schon früh wurde er als Orgelvirtuose anerkannt, seine Werke seien in Wien allerdings „auf harte, bisweilen auch sehr polemische Kritik“ gestoßen. Die Gegner: „Als Wortführer erwiesen sich Eduard Hanslick, der Kritiker der Neuen Freien Presse und Max Kalbeck, der in mehreren Journalen Kritiken veröffentlichte.“ Bruckner habe diese Kritiken als schwere persönliche Verunglimpfung empfunden. Und die Verehrer: „Auf der anderen Seite standen die Wiener Wagner-Freunde, wie Johann Paumgartner, Hugo Wolf oder Theodor Helm.“
Nach Wagners Tod sei Bruckner „von dieser Seite als Wagner-Ersatz“ vereinnahmt worden, „ohne dass er sich wehren konnte“. Die Verleihung des Ritterkreuzes des Franz-Joseph-Ordens 1886 habe Bruckner als hohe Ehrung empfunden, zumals sie mit einer Audienz beim Monarchen höchstpersönlich verbunden war: „Bei dieser Gelegenheit bat Bruckner den Kaiser, auf Eduard Hanslick einzuwirken, nicht negativ über ihn zu urteilen – eine Bitte, die Franz Joseph allerdings ablehnte.“ Es folgten zahlreiche Ehrenmitgliedschaften bei musikalischen Vereinigungen.Als höchste Auszeichnung empfand Anton Bruckner die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Wiener Universität 1891. In diesem Jahr musste der gesundheitlich angeschlagene Bruckner seine Funktion als Konservatoriumsprofessor niederlegen. Bereits ab den späteren 1880er-Jahren hatte sich Bruckners Gesundheitszustand verschlechtert. Er litt an Herzschwäche und Diabetes. 1893 beendete er den Dienst in der Hofmusikkapelle. Durch kaiserliche Intervention habe er 1895 eine ebenerdig gelegene Wohnung im „Kustodenstöckl“ des Oberen Belvedere erhalten. Dort hat der Komponist bis zuletzt an der – unvollendet gebliebenen – Neunten gearbeitetet. Anton Bruckner, geboren am 4. September 1824, starb am 11. Oktober 1896. „Er wurde auf seinen Wunsch unter der Orgel des Stiftes St. Florian beigesetzt – dort wo seine musikalische Laufbahn ihren Ausgang nahm.“ (ÖNB / dpk-klaba)
Anton Bruckner. Der fromme Revolutionär. Ausstellung im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek – bis 26. Jänner 2025 – www.onb.ac.at
Bilder: ÖNB