Bruckners Debüt ohne Bremse
HINTERGRUND / WIENER PHILHARMONIKER / NEUJAHRSKONZERT
29/12/23 Christian Thielemann, einer der Lieblingsdirigenten der Wiener Philharmoniker, leitet das Neujahrskonzert. Weil Anton Bruckner 2024 seinen 200. Geburtstag feiert, aber keinen passenden Walzer hinterlassen hat, wurde kurzerhand ein Klavierstück „neujahrskonzert-tauglich“ gemacht.
Von Heidemarie Klabacher
„Mit Tanzmusik war Anton Bruckner als Sohn eines oberösterreichischen Dorfschullehrers, Kantors und Tanzgeigers bereits seit Kindertagen vertraut, und Ländleranklänge durchziehen seine späteren Symphonien“, schreiben Silvia Kargl und Friedmann Pestel im Programmtext. „Unter den Gelegenheitswerken, die Bruckner während seiner Lehrer- und Organistenjahre im Stift Sankt Florian schrieb“, befinde sich auch eine Quadrille für Klavier zu vier Händen, entstanden vermutlich 1854. In dieses Jahr fiel „auch Bruckners erste Reise nach Wien, wo in den kommenden Jahrzehnten seine Entwicklung als Symphoniker in engem Kontakt zu den Philharmonikern erfolgte“. Wolfgang Dörner intstrumentierte das sechsteilige Klavierstück WAB 121 für die Wiener Phiharmoniker und verhalft damit Anton Bruckner „2024 zu seinem 200. Geburtstag zum Neujahrskonzertdebüt“. Man werde sich wundern, sagte Christian Thielemann beim Pressegespräch am Donnerstag (28.12.) im Hotel Imperial in Wien, „dass so etwas von Anton Bruckner ist“. Dieser habe das Stück „womöglich im Wirtshaus improviesierend erdacht“.
Neben Bruckners „Debüt-Stück“ erklingen beim Neujahrskonzert 2024 Werke von Karl Komzák, Joseph Hellmesberger, Hans Christian Lumbye und – als Herzstück natürlich – Walzer und Polkas von den Mitgliedern der Strauß-Dynastie. „Johann Strauß überreichte Fürstin Pauline von Metternich seine Wiener Bonbons 1866 in den Redoutensälen der Wiener Hofburg beim Ball des Vereins der Industriellen Gesellschaften Wiens, der unter ihrer Patronanz stand. Ihr Ehemann war damals österreichischer Botschafter in Paris, wo sich Johann und Josef Strauß anlässlich der Weltausstellung 1867 ein Gastspiel erhofften“, schreiben Silvia Kargl und Friedmann Pestel im Programmtext. „Tatsächlich dirigierte Johann im Mai 1867 ein Festkonzert in der Pariser Botschaft mit der Bilse’schen Kapelle aus Preußen, aus der später die Berliner Philharmoniker hervorgingen. Als die Wiener Philharmoniker 1900 ihr erstes Auslandsgastspiel wiederum zur Weltausstellung in Paris gaben, erhielten sie von Pauline von Metternich wertvolle Unterstützung. Kurz vor ihrem Tod wurde sie zum zweiten Ehrenmitglied der Wiener Philharmoniker ernannt und war somit die erste Frau, der diese höchste Auszeichnung zuteilwurde.“
Die Schnellpolka Ohne Bremse von Eduard Strauß erklang erstmals 1885 beim Ball der Eisenbahner im Musikverein. Seine Polka mazur Die Hochquelle schrieb er zur Eröffnung des Hochstrahlbrunnens am heutigen Schwarzenbergplatz. Zupfgeigen-Pizzikato, was die Wiener Philharmoniker immer besonders delikat federnd zu Wege bringen, prägen die Neue Pizzicato-Polka von Johann Strauß aus dem Jahr 1892 (in der Nachfolge der 1869 entstandenen legendären Pizzicato-Polka) sowie die Estudiantina-Polka von Joseph Hellmesberger aus dessen „1902 an der Wiener Hofoper uraufgeführtem Ballett Die Perle von Iberien“. Der Däne Hans Christian Lumbye „war ursprünglich Militärmusiker, der auch zum Tanz aufspielte und dafür eigene Werke komponierte“, berichten Silvia Kargl und Friedmann Pestel. 1839 habe Lumbye beim Gastspiel einer Steirischen Musikkapelle in Kopenhagen erstmals Werke von Joseph Lanner und Johann Strauß Vater gehört, „an deren Stil er sich daraufhin orientierte“. Seinem Galopp Glædeligt Nytaar ist ein Wunsch vorangestellt: „Ein frohes Neues Jahr! Ich meine es gut, danken Sie mir nicht, tanzen Sie mich einfach!“
Bilder: Dieter Nagl für die Wiener Philharmoniker