asdf
 

Eine Polka und der nette Rest der Oper

GRAZ / SCHWANDA, DER DUDELSACKPFEIFER

24/12/21 Ein markiger Hahnenschrei am Beginn der Ouvertüre und auch sonst kräht und gackert es in der Partitur von Jaromir Weinbergers Oper Schwanda, der Dudelsackpfeifer. Dessen ungeachtet kräht heute kein Mensch mehr nach dieser Oper, die nach ihrer Uraufführung 1927 ein großer Erfolg war.

Von Reinhard Kriechbaum

Als Wunschkonzert-Nummer hat nur ein kurzes Orchesterstück überlebt, die berühmte Polka. In der Grazer Oper erinnert man sich an diese für kurze Zeit so richtig populäre „Volksoper“ aus Böhmens Hain und Flur – und siehe da: Es ist ein so recht vergnüglicher Opernabend geworden. Auch wenn man danach sehr genau weiß, warum der Švanda dudák nicht mehr zum Kanon gehört.

Schwanda ist ein Erzmusikant. Mit seiner Frau Dorotka und vielen glücklichen Hühnern lebt er bodennah am Bauernhof – bis der Räuber Babinský daher stolziert und den arglosen Schwanda zu einem Höhenflug überredet. Das eingefrorene Herz einer Königin mit Dudelsackmelodien aufzutauen, ist eine reizvolle Herausforderung für ihn. Gelingt auch, und beinah entwickelte sich eine Liebesgeschichte zwischen dem Musikanten und der Königin. Aber da schneit Dorotka herein, um deren durchaus heißes Herz sich Babinský vergeblich bemüht. Und so hilft hilft der Erzräuber als Kavalier schließlich doch, den unterdessen vom Teufel geholten Schwanda wieder in die Oberwelt, zurück auf den Hühnerhof und an Dorotkas Seite zu holen.

Den Räuber Wenzel Babinský hat es übrigens wirklich gegeben. Er gilt als so etwas wie der tschechische Robin Hood, der mit krimineller Energie, aber sozialem Sinn für die Umverteilung von Reich zu Arm sorgte.

Und der Komponist Jaromir Weinberger 1896 bis 1967? Dieser war ebenso schnell weg vom Fenster wie sein Švanda dudák, als die Nazis das Regime übernahmen. Im amerikanischen Exil konnte er auch in Jahrzehnten danach nicht mehr so recht Fuß fassen und schied in Florida durch Selbstmord aus dem Leben. Eine tragische Biographie.

„Glanzvolle Eintagsfliege“, urteilte einst Marcel Prawy über den Švanda dudák. Ein bisserl boshaft könnte man sagen, die Musik klingt einmal so, als ob Hindemith Friedrich Smetana paraphrasierte, dann wieder, als ob Richard Strauss hinterlistig Dvoraks Rusalka verulkte. Oder als ob Puccini nach tschechischem Lokalkolorit suchte. Janáček geistert sowieso auch durch diese Partitur. Sie ist prall gefüllt mit hübschen folkloristischen Melodien und es findet sich in ihr doch eine charakteristische Handschrift. Jaromir Weinberger hatte den Ehrgeiz, den Volkston immer wieder zu konterkarieren. Aufs Fugenschreiben hat er sich verstanden.

Ein selbstkritischer Musik-Dramaturg war Weinberger wohl nicht. Die Klimabeschreibung der von einem Kälte-Dämon verzauberten Königin – in der Grazer Inszenierung ist sie eine Schönheitskönigin aus Florida, die sogar zwei Palmen ins frostige Reich der Pinguine gerettet hat – fällt musikalisch zwar mit viel Aura, aber auch sehr langatmig aus. Und der Akt in der Hölle – in Graz huldigt eine Unmenge an Teufel-Ungustls den Saunafreuden – ist in seiner Umständlichkeit echt die Hölle. Man sollte den Rotstift ansetzen und raffen, was nur geht. Für eine Aufführung in der Staatsoper Dresden 2012, die auch auf CD greifbar ist, hat man eine gute halbe Stunde eingebracht, nicht zum Schaden des Werks.

Robert Jindra, designierter Musikdirektor des Nationaltheaters Prag (wo er als Kapellmeister wirkte) dirigiert. Die Folklorismen seiner Heimat hat er im Blut. Auffallend, wie sanft-, gar schwermütig manches rüberkommt. Dazu lässt sich herrlich singen, es bleibt Energie für sehr fein durchgearbeitete Ensembles.

Matthias Koziorowski hat einen leuchtenden, ur-kräftigen Tenor für den „Spielmacher“ Babinský. Der lyrisch-zurückhaltende Petr Sokolov passt haargenau zum Rollenprofil des arglosen Schwanda. Polina Pastirchak ist eine so natürliche wie durchsetzungskräftige Dorotka. Ester Pavlu zeigt viel Wandlungsfähigkeit im Mezzospran-Chroma als Königin, die den Schwanda vom Fleck weg heiraten möchte. Daeho Kim als Magier, Wilfried Zelinka als Teufel und Marlin Miller in einigen witzigen kleinen Tenor-Nebenrollen: Für sie alle hält Weinbergers Werk nette Aufgaben bereit.

Wie wird man dem Stück in der Regie gerecht? Dirk Schmeding hat es auf einer Revue-Bühne angesiedelt. Da ist wirklich viel los, und das schadet keineswegs, wenn so kernig gesungen und musiziert wird. Übrigens hat man aus gutem Grund der musikalischen Qualität der Ende-nie-Ouvertüre misstraut und sie mit Video-Spielereien aufgemotzt. Sieht aus, als ob einer dem Moorhuhn-Spiel zu einem Revival verhelfen möchte.

Aufführungen bis 3. April in der Grazer Oper
Bilder: Grazer Oper / Werner Kmetitsch

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014