Wie Österreichs Grenzen entstanden
KULTUR – VIRTUELL
02/10/20 Vor hundert Jahren geschah demokratiepolitisch Bemerkenswertes: Im Fall von Südkärnten bestimmten nicht die Siegermächte über die künftigen Landesgrenzen, sondern die Bevölkerung der Region wurde zur Abstimmung gerufen. Ein Jahr später stimmte man über das burgenländische Sopron/Ödenburg ab.
Das Haus der Geschichte Österreich hat eine Webausstellung gestaltet: Abgestimmt! Wie Grenzen entstehen zeigt, wie die Grenzen der neuen Republik (Deutsch-) Österreich festgelegt wurden – mit militärischen Auseinandersetzungen, internationalen Verträgen, aber eben auch (in seltenen Fällen) mit Volksabstimmungen. Sie hält viele bislang unbekannte Einzelheiten für alle österreichischen Regionen bereit und bietet Bilder sowie zahlreiche Hintergrundinformationen.
Nach dem blutigen Kärntner „Abwehrkampf“ (der damalige SHS-Staat der Slowenen, Kroaten und Serben beanspruchte die Region südlich des Wörthersees und weiter südöstlich gelegenen Gebiete für sich) durfte 1920 die Bevölkerung wählen – und sie entschied sich zu 59,04 Prozent für Österreich.
Das Bild oben zeigt die polemische, nationalistische Wahlwerbung damals: Die alte Vettel steht für Österreich, das junge Trachtenpaar macht sich voll Optimismus auf in den neuen SHS-Staat. Der Kärntnerbua auf dem anderen Bild steht für die Meinung der Gegenseite: Er bekniet seine Mutter, für Österreich zu stimmen, auf dass er nicht ins Heer des jugoslawischen Königs Peter einrücken müsse.
Da in Südkärnten rund siebzig Prozent slowenenischstämmige Menschen lebten, kann man schließen, dass rund die Hälfte von ihnen für den Verbleib in Österreich votierte. Klagenfurt, nicht Laibach/Ljubljana galt ihnen als wirtschaftlicher Bezugspunkt (wobei sogar Klagenfurt/Celovec selbst zur Disposition stand). Gelohnt wurde ihnen die Entscheidung für Österreich nicht. Nicht nur in der NS-Zeit wurde der slowenischen Volksgruppe mehr als übel mitgespielt. In den 1970er Jahren entbrannte der Streit um zweisprachige Ortstafeln. Später goß nicht nur Jörg Haider Öl ins Feuer. Die Zweisprachigkeit in Kärnten gilt vielen immer noch als vermintes Gebiet.
Ein Jahr nach Kärnten folgte die Grenzziehung im Burgenland: In den Friedensverträgen wurde „Deutsch-Westungarn“ der Republik Österreich zugesprochen. Ungarische Freiwillige führten einen „Abwehrkampf“ gegen Bundesheer und Gendarmerie und riefen die kurzlebige Republik Lajtabánság (Leitha-Banat) aus. Eine Volksabstimmung um die Zugehörigkeit der größten Stadt Sopron/Ödenburg ging 1921 für Ungarn aus. Die übrige Region kam schließlich zu Österreich. (dpk-krie)