Hallo … man hat uns getrennt!
REST DER WELT / GRAZ / DIE MENSCHLICHE STIMME
24/01/18 Es soll schon Menschen gegeben haben, die eine Beziehung per SMS aufgelöst haben. Insofern ist die Sängerin in Francis Poulencs Kurzoper „La voix humaine“ gut dran: Am Telefon ist wenigstens noch eine Diskussion mit dem Ex-Partner möglich. Aber der Viertelanschluss...
Von Reinhard Kriechbaum
„Hallo … man hat uns getrennt!“ Immer wieder hämmert die Frau auf die Hörergabel, wenn wieder mal der Kontakt abgerissen ist mit dem, der aus der Beziehung ausgerissen ist. Ein altes schwarzes Bakelit-Telefon mit Wählscheibe, eine Schachtel, in der die Geschenke und Briefe vom Ex landen. Und ein Karton mit einem Brautkleid, das die Kirche nicht sehen wird: Die junge Frau telefoniert mit dem verflossenen Geliebten am Vorabend seiner Hochzeit mit einer Anderen.
Die Grazer Oper ist mit Francis Poulencs 1959 entstandenem Werk an einen originellen Ort gegangen, in die gläserne Needle am Kunsthaus. Opern-Kurzgenuss (so heißt die Reihe) für ein überschaubares Publikum also, sogar reduziert auf Klavierbegleitung. Macht nichts, die Pianistin Stacey Bartsch gewinnt den Noten viel Farbe ab. Und dass Margareta Klobučar nicht in Originalsprache singt, ist in dem Fall sehr förderlich. Die fünfzigminütige Tragédie lyrique „Die menschliche Stimme“ wird so zu einer Art szenischem Liederabend.
Konzentrierte, sinnliche Musik, immer auch mit einem Einschlag des Chansons. „Liebling“, „mein Liebster“ – die Frau versucht mit Charme, mit Angriffigkeit und mit echter Verzweiflung ein letztes Mal das Ruder herum zu reißen. Was mag der Herr am anderen Ende der Leitung entgegnen? Sie jedenfalls schmachtet, leidet, kämpft vergebens. Margareta Klobučar zieht alle Register des Ausdrucks, geht mit dem Text fulminant deutlich und in den so vielfältigen Stimmungsnuancen mit denkbar höchster Präzision um.
Im Vorjahr, als man in Graz die Reihe Opern-Kurzgenuss begonnen hat, war „Das Telefon“ zu erleben (quasi um die Ecke, auf der Murinsel). In Gian-Carlo Menottis Oper scheitert beinahe ein Heiratsantrag an der ausufernden Telefonitis der potentiellen Braut. Poulencs „Die menschliche Stimme“ markiert das Ende einer solchen Beziehung. „Ich hab das Kabel … deine Stimme um den Hals“ wird die Frau zuletzt singen.
Regisseurin Juana Ines Cano Restrepo lässt dann doch offen, ob die Sache letal ausgeht. In Jean Cocteaus Libretto erhängt sie sich am Telefonkabel. Solche Lösungen waren in Zeiten vor Erfindung des Handys noch möglich. Mit dem iPhone ginge nur Brandstiftung, wenn's heiß läuft.