Schatzsuche erfolgreich im Untersberg
ERLESENE OPER e.v. HALFING / DER UNTERSBERG
17/10/23 Der Fundus an vergessenen Komponisten und Werken ist unergründlich. Seit zwölf Jahren gräbt der bayerische Verein erlesene oper e.v. nach Unbekanntem. Zum Jubiläum „1275 Jahre Laufen“ wurde eine besondere Rarität ausgegraben – die große romantische Oper Der Untersberg von Johann Nepomuk von Poißl.
Von Horst Reischenböck
Der Name Freiherr von Poißl ist heutzutage selbst Kennern kaum geläufig. Vor 240 Jahren im Bayerischen Wald nahe Straubing geboren, reihte Johann Nepomuk von Poißl (1783 - 1853) sich als Kammerherr König Ludwigs I. in die Rige komponierender Beamter ein. Der Freiherr (als solcher mit „Baron“ anzusprechen) war Hoftheater- und bis 1848 Hofmusikintendant in München. Nach Studien beim berühmt-berüchtigten Abbé Vogler konnte er bald mit Peter von Winter (der seinerseit Mozarts Zauberflöte) fortsetzte, konkurrieren. Kollege Franz Danzi machte Poißl mit Carl Maria von Weber bekannt, der wiederum zwei von Poißls dreizehn Opern erfolgreich in Dresden und Prag dirigiert hat... „Zusammen mit seinem Freund Carl Maria von Weber gilt er als der bedeutendste Komponist auf der Suche nach einer deutschen Nationaloper“, so der Verein erlesene oper e.v.
Nach seiner zwölften Oper – Der Untersberg – legte Poißl eine größere Schaffenspause ein. Vielleicht, weil die damit mutmaßlich verbundene Idee der „Geburt“ einer Art bayerischen Nationaloper doch nicht so erfolgreich war. Der Untersberg als solcher liegt heute zu zwei Drittel über der deutschen Grenze, stellt aber nur den Schauplatz für die dreiaktige Oper, die mit seinen eigentlichen Sagen wenig zu tun hat.
Der Librettist Eduard von Schenk kombinierte für seine Handlung verschiedene Vorbilder. Trotz Untersberg geht es nicht um Kaiser Karl den Großen. Wir sind im 11. Jahrhundert. Fürst Odorich von Amalfi zieht sich nach seiner Entmachtung dank seiner Zauberkräfte in die Geisterwelt des Untersbergs zurück. Amalfi? Das mag als Ausdruck der in der Romantik grassierender Sehnsucht nach Italien gedeutet werden. Bei einem Jagdausflug verliebt sich seine Tochter Astralis just in Guido, den Sohn des Erzfeindes. Wie nicht anders zu erwarten, bewirken Herz und Schmerz einen für Alle glücklichen Ausgang...
Die Salzachstadt Laufen verfügt seit ihren Tagen als Sommerresidenz des Salzburger Fürsterzbischofs Colloredo – der dort eine Opernbühne besaß – über kein Theater mehr. Die Salzachhalle als Veranstaltungsraum ist mangels entsprechender Einrichtungen maximal für konzertante Aufführungen geeignet. Aber die Entscheidung ist natürlich richtig. Eine szenische Produktion einer großen romantischen Oper mit märchenhaften Zügen hätte Verantwortliche und Ausführende auch andernsorts vor Probleme gestellt.
Der Dirigent Georg Hermansdorfer, dem die Ausgrabung der Oper zu verdanken ist, hatte seine Truppe während der Corona-Epidemie mit einer anderen Kuriosität gut über die Runden gebracht – mit Max Bruchs Scherz, List und Rache mit Klavierbegleitung. Nun stand (und steht bei zwei weiteren Aufführungen in Degerndorf und München) er dem ambinitionierten, mit vier Hörnern und Harfe groß besetzten Orchester oper e.v. Halfing vor. Die Wiedergabe überzeugte vom ersten Ton der dramatisch einstimmenden Ouvertüre an von Poißls ausdrucksstarker Kunst in der Instrumentenbehandlung.
Auf dem Podium tummelten sich für die Ritter, Jäger, Landleute und Geister die Chöre der erlesenen Oper e.v. und des MGV Degerndorf. Davor postiert die Vokalsolisten. Rainer Bopp führte als Odorich mit tiefen-gesegnetem Bariton zudem als Erzähler durch das Geschehen. Ihm gegenüber als zweiter Bariton Andreas Agler als Erzfeind Welf. Dieser gestaltet schön differenziert auch die kleinen Stichwort-Partien Diethold und Florestan. Dazu mit strahlkräftiger Stimme der Tenor George Vincent Humphrey – nur von der Optik her doch etwas zu alt, um den jungen Guido glaubhaft darzustellen. Das Herren-Terzett vereinte sich im Finale zum ersten Akt wohl ausgewogen mit der Mezzo-Sopranistin Kayo Hashimoto als Astralis. Perfekt sang sie fordernden Koloraturen – die zeigten, dass und wie sehr der Komponist Johann Nepomuk von Poißl von Rossini profitierte. Eine echte Rarität. Die Resonanz war einhellig positiv.
Der Verein erlesene oper e.v. wurde 2011 in Halfing gegründet und hat das Ziel, unbekannte oder vergessene Opern wieder zum Leben zu erwecken. „Das Aufführungsmaterial muss oft detektivisch“ gesucht oder aus Handschriften „erlesen“ werden – daher auch der doppeldeutige Name des Vereins.“ Man wolle jungen Künstlern ermöglichen, Bühnenerfahrungen zu sammeln und Kontakt mit dem Musiktheater zu bekommen, so der künstlerische Leiter, der Dirigent Georg Hermansdorfer. „So spielen zahlreiche Schüler und Studenten in unserem Orchester oder auf der Bühne mit und haben hiermit die Gelegenheit, Oper aktiv zu erleben und mitzugestalten.“
Der Untersberg – weitere Auführungen der Produktion von erlesene oper e.v. – Samstag 21. Oktober 19 Uhr in der Christkönigkirche in Degerndorf und Freitag 27. Oktober 19.30 Uhr im Kolping Festsaal in München – erlesene-oper.de
Bilder: Zehetbauer Photographie / Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!